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dingungen lebt. Sie saugt ihren eigentlihen Gehalt, ihr Pig-
ment, das Spezifische ihres Aromas aus dem Boden, worauf
ihr Träger, der Mensch, mit seinem Volke steht. Anders ge-
färbt ersheint die Phantasie der Orientalen, anders die der
Griechen, der Römer, anders die der Völker im Mittelalter
und anders die moderne Phantasie. Das ist ein sehr wichtiger
Teil der Lehre von dieser Gabe, weil er vorbereitend ist. Wir
müssen den Standpunkt nehmen auf der Höhe, wo wir den
Gesichtskreis weit genug halten können, um gleich gerecht zu
sein gegen Schönes der verschiedensten Auffassungen. Die Kunst-
geschichte nimmt nicht Partei im Kampf der großen Richtungs-
unters<hiede, wodur< die Zeitalter getrennt werden, und der
einzelnen Künstlerindividualitäten. Wer die Schönheit des
flassism<en Stils der alten Griehen und Römer fühlt und die
Reize der Renaissance in ihren verschiedenen Formen, hat des-
halb fein Recht, die der Gotik zu mißachten oder den relativen
Wert des Barocco und Rokoko zu leugnen *).
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Die Jdealschöpfung wird mit Bestimmtheit und Klarheit
nicht von der Phantasie als allgemein menschlicher, sondern
als besonderer Sähigkeit der ausnehmend Begabten voll-
zogen. Das Jödealbild ist aber erst nur ein inneres. Dabei
kann die Phantasie nicht stehen bleiben, sondern geht not-
wendig zur Thätigkeit nach Außen über; durch diese soll
ein Drittes entstehen, das die Vorzüge des dur<h den be-
wußten und wollenden Geist entstehenden Werkes mit den
Vorzügen des in der Außenwelt zufällig begegnenden An-
s<Heins der Schönheit in sich vereinigt, also die Vorzüge
des Subjektiven und Objektiven in sich verbindet und worin
ebendaher die Mängel dieser beiden einseitigen Kxistenz-
weisen aufgehoben sind.
Phantasie hat in irgend einem Grade jeder Mensch, sogar
jedes Tier. Die Bienen könnten ihre Zellen nicht bauen, wenn
Val. oben S. 13 und 124.
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