Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Mühe. der Stoffbearbeitung. Lernen. Handwerk. 534 
Da heißt es also: Ringen, Arbeit, Handwerk. Wir nehmen 
das Wort Handwerk in Bezug auf alle Künste, auch auf die 
Poesie, wie Goethe, der einmal sagt: „wie viel Handwerk die 
Poesie fordert, wenn die guten Leute es nur wüßten!“ Warum 
an dem Wort einen Anstoß nehmen? Peter Vischer nannte sich 
Rotgießer. Die Bildhauer, Maler und Architekten im alten 
Griechenland nannten sich selbst Handarbeiter. 
Ein Teil der mühevollen Arbeit künstlerischen Scaffens 
ist nun lernbar und Sache der Schule. Es haben sich in jeder 
Kunst mit der Zeit Erfahrungen der Praxis angesammelt und 
daraus Regeln festgeseßt. Dazu kommen die wissens<haftlichen 
Disciplinen: Geometrie, Statik, Perspektive, Anatomie, Farben- 
lehre, Generalbaß, Kompositionslehre, Metrik 2c. 
Das kann man also lernen. Aber daran ist doch auch 
etwas nicht Lernbares. Indem ein Künstler von Talent lernt, 
was objektiv zu lernen ist, wirkt darin sein Talent mit, so daß 
er in dieses überlieferte Ganze von Regeln und Geseßen be- 
reits seine eigene individuelle Seele hineinträgt; und wenn er 
es endlich zur technischen Virtuosität gebracht hat, dann ist mit 
vem Erlernten etwas absolut Unlernbares, Originales da. Jeder 
Künstler hat seine Handschrift in Form und Farbe. Man braucht 
diesen Ausdru> gern. Dürer, Holbein, Raphael, Tizian, jeder 
ist sofort daran zu erkennen. Darin liegt das individuelle Ge- 
heimnis. 
Manche lernen freilih zu wenig; das spürt man ihnen 
immer an, und um so mehr, je talentvoller sie sind. Genelli 
hat nicht genug gelernt, er macht Fehler. Cornelius versieht 
sich oft in der Proportion; der ist auch einer unserer großen 
Zeichner und hat nicht recht zeihnen können. Rottmann, 
der große Landschafter, der ist vollkommen dur<gebildet. Und 
welch ein Meister der Pinselführung! Betrachten Sie seine 
idealen Arkadenfresken in München! Es ist jammersc<hade, daß 
sie mehr und mehr zu Grunde gehen. Bald werden sie ganz 
dahin sein. Sein Schönstes, der Aetna mit den ewig schönen, 
unsterblihen Farben , ist nun ganz erblindet. Do findet sich 
an diesem herrlihen Cyklus immer no< manches so weit un-
	        
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