Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

5:44 Zweiter Teil. 8 2. 
Zusammensuchen das Führende doch die innere Anschauung mit 
der lebendigen Erfahrung des unmittelbaren Lebens im. im 
dem no< zu verschwommenen Bilde, das ihm vors<webt, Be- 
stimmtheit zu geben, braucht also der Künstler das Modell, aber 
indem er es braucht, steht er doch himmelhoch über ihm, denn 
sonst könnte er ja das rechte Modell nicht auswählen und mit 
seinem inneren Bilde nicht vergleichen. 
Ein berühmtes Gemälde von P. Delaroche stellt Cromwell 
dar, wie er den Sarg des hingerichteten Königs öffnet und 
seine Leiche ansieht. Das vornehme Totengesicht und der 
<haratktervolle, hartges<hmiedete, in Formen grobe Republikaner 
bilden einen ergreifenden Gegensaß. Er trägt die Tracht des 
17. Jahrhunderts: das Koller, den breitgefrempten Hut, die 
hohen Stiefel 2c. Da es nun ans Malen geht, frägt sich 
Delaroche, wie das denn eigentlich aussieht. Und was thut er? 
Er läßt ein Kostüm machen und zwar auf den Leib eines Ar- 
beiters. Der muß es vier Wochen lang anhaben und dann erst 
Modell stehen, denn Delarohe will die Formen und Falten, 
wie sie sich beim Tragen bilden. 
So sehr kann ein Künstler die Nachhilfe dur<h Modell und 
Kostüm verwerten. Aber auc<, was er dabei findet, hat er, 
wie gesagt, no< wesentlih zu ergänzen durch das besondere 
Gepräge der Erscheinung, wie sie als ein intimes, aber nur 
halb deutliches Bild in seinem Geiste lebt und wie sie in ihrem 
ansc<haulihen Wesen beschaffen wäre, wenn sie wirklich leben 
würde. Dänn nutßt diese Nachhilfe, ohne zugleich zu schaden, 
dann drückt sie der Arbeit keinen mechanischen Charakter auf. 
Alles Verwerten des Modells muß geführt sein von der inneren 
Vorstellung und von der lebendigen Kenntnis wahrer, nicht 
modellmäßiger Natürlichkeit. 
Wir sind no<h einmal auf die Natur zurügewiesen, mit 
welcher wir doch fertig zu sein meinten. Die Natur ist eben 
no< da, und wenn das Kunstwerk ausgeführt werden soll, so 
behauptet sie wieder ihre Rechte. Ihre Wärme, Frische, Wahr- 
heit muß immer wieder in die Werkstatt hereinsheinen. So 
stünden wir also wieder beim Naturschönen.
	        
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