Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Ginleitung. 
In ein glänzendes Reich des Lichts führt uns die Wissen- 
schaft der Aesthetik; es verknüpft sich mit ihrem Gegenstande 
das Gefühl reinster Freude. Vom Schönen wird jeder erquiät; 
die Liebe zu ihm ist allen angeboren; es hat keine Feinde. 
Man sollte also meinen, das Schöne finde lauter offene 
Thüren. Aber nein: wenigstens abgeneigt sind ihm religiöse 
Eiferer und moralische Rigoristen. Und wie verhalten sich die 
nur materiell Gesinnten? Wir haben Achtung für den realistischen 
Geist unserer Zeit, stellen uns nicht unter die Reihe derer, Die 
ihre Richtung auf die Stoffwelt ohne weiteres bekämpfen. 
Realismus heißt ja noh nicht Materialismus. Es ist etwas 
Großes, die Materie zu bezwingen. Sie bringt Wohlstand und 
damit Unabhängigkeit. Aber wahr ist auch: sie rächt sich oft 
dur< AnsteFung mit dem Erdigen ihres Charakters; der ihr 
zugewandte Sinn verfällt leicht in tro>nen Ernst und trivialen 
Genuß, er verschließt sih vem Schönen und läßt es so neben- 
hergehen. 
Oft hört man, das Schöne habe keinen Zwe>, sei nur 
Luxus, wolle in der Welt nicht nühen, nicht belehren ; und 
aus dieser Anschauung erwachsen ihm Gegner. Nun wohl, in 
ihrem Sinn genommen, ist es Luxus. Zur Not ließe sich's 
auc< ohne das Schöne leben. Aber wie? Wäre das Leben 
dann no< der Mühe wert? Wär's erträglich ? 
Und ist das Schöne nicht allerorten verbreitet? Erscheint 
es uns nicht rings in der Natur? Wallt es nicht in der blauen 
Vischer, Das Schöne und die Kunst.
	        
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