Einleitung.
ht Mancher mag Sceue vor der Aesthetik haben in der Meinung,
1? als sei das, womit sie sich beschäftigt, nur etwas Weichliches, ein
er bloßes Schaumgebilde, als gebe es in diesem Revier nur schlaffes,
ht füßliches Zeug, lyrisches Gezwitscher, leeren Effekt, dünne Pro-
in dukte einer saftlosen Grazie und als könne sie daher selbst nur
IE ein Naschen, ein leeres Spiel, ein müßiges Gerede jein. Wohl
it gleiht das Schöne oft einer zarten Blume, aber das Liebliche ist
[3 nur eine Schwester des Erhabenen; und das e<t Schöne ist doch
17 groß und fest, beharrlichen Geistes, männlich und mit Kraft ge-
1d panzert; es ist zwar Schein, aber Schein, aus dem etwas hervor-
strahlt; ein bescheidener Scatten, der nichts anspricht zu ver-
1: ändern, aber Mark des Lebens. Die großen Künstler der Natio-
ir nen waren keine Schöngeister ; sie goßen jene erhabenen Schauer
1 in die Seelen, womit uns die tiefsten Momente des Daseins er-
ft fassen. Mild, rührend, s<melzend sind die Poesien eines Goethe,
T aber sehe einer den inneren Gehalt des Mannes an: er ist ge-
Nn schmiedet wie aus dem härtesten Stahl. Da das Schöne nur
0 fo gesund ist, hat es auch eine Gewalt. Nein, nicht überflüssig
n ist das Schöne; wir können ihm nicht entfliehen; es ist nicht
n neben dem Leben, sondern mitten darin, alles erfüllend ; es
D umgibt uns wie Luft, wie Wasser, worin wir baden; es ist eine
große Wahrheit, eine Macht. Sie ruft: Du mußt mich haben,
r du Mensc<, denn ich will dich bilden!
t Wahrhafte Bildung bringt nur das Schöne, weil es allein
3 den sonst verstümmelten, na< Natur- und Geistseite zerrissenen
Menschen einigt. Es muß uns mit seinen Reizen durd<dringen,
3 wenn sich das eigentliche Wesen in uns entwikeln soll. Ganze
ce Menschen werden wir nur durch die Kunst. Das lateinische
a Sprichwort von der Wissens<aft: emollit mores, nec Sinit
es8e ferocem ist nur halb wahr, denn sie ist abstrakt und müh-
sam; wer sich nicht hineinarbeitet, dem bleiben ihre Werke
Hieroglyphen ; und die natürliche Teilung ihrer Arbeit führt zur
Einseitigkeit.
Der Wert, den der Gegenstand der Aesthetik : das Schöne
vor dem Inhalt der Wissenschaften voraus hat, und der eigent-
liche Grund seiner unvergleihlihen Wirkung liegt darin, daß