Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

ZU Zweiter Teil. 84. 
bares im Raum darstellen. So erscheint die Fünfzahl doch 
wieder im Grunde dreiteilig, wie die menschliche Hand. 
Wir wollen uns nun aber die innere Ursache klar machen, 
woraus die Verschiedenheit der drei Künste des ersten Gebietes 
zu erklären ist. Sie liegt im Wesen der Anschauung. Es 
gibt verschiedene Arten zu sehen. Das Auge des geborenen 
Architekten achtet vor allem auf die Verhältnisse; er hat den 
messenden Blik. Und wer so angelegt ist, daß er vorzüglich 
die organische Form als solche erfaßt, dem wird an einer Ge- 
stalt irgend ein Mangel des Wuchses, irgend eine verkümmerte, 
verzogene Bildung, zu langer oder zu kurzer Rumpf, schiefer 
Mund u. dergl. so genieren, daß keine noch so blühende Farbe, 
fein noh so reizendes Mienenspiel ihm das verde>en und an- 
nehmbar machen kann; er sieht sogleich darauf. Die Form als 
Form bleibt sein Augenmerk. Das ist der geborene Bildhauer. 
Andere dagegen sehen malerisch und werden geneigt sein, sich 
mit einem Mangel in der Gestalt zu versöhnen, wenn nur die 
Farbe und der Ausdruck schön ist. 
Auch für den Laien kann es ungemein bedeutend werden, 
daß er sich davon Rechens<haft gibt. Nordländer, Deutsche, die 
nac< Jtalien kommen, hört man viel klagen, daß sie die ge- 
rühmte Schönheit der italienischen Frauen nicht finden können. 
Es sind Leute, die malerisch sehen. Wer aber darauf achtet, wie 
z. B. ein Nacken aufgeseßt ist, der wird si<ß dort nicht be- 
schweren über Mangel an Schönheit; er sieht eben plastisch. 
Wir müssen für die südländische Natur erst plastisch fühlen 
lernen. Nur wer das nicht gelernt hat, wird auf den Bergen 
Griechenlands und Jtaliens unser saftiges Grün suchen und 
enttäuscht sein, weil er es nicht findet. 
Die Unterschiede der Auffassung wären ferner in den 
übrigen Künsten zu verfolgen, namentlich in der Poesie. Diese 
Kunst zerlegt sich entschiedener und begreifliher als jede andere 
in drei Zweige: in Epik, Lyrik, Dramatik. Wir werden ex- 
kennen, wie sich darin die übrigen Künste gewissermaßen wieder- 
holen. 
Es gibt also sieben Künste, wenn Sie wollen, doc<h im 
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