Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

14 Einleitung. 
Kombination, doch jede3mal dieselben. Wir unterscheiden ferner 
im allgemeinen Wesen der Phantasie besondere Richtungen, Be- 
gabungsarten, und erkennen, wie hierauf die Verschiedenheit 
der Künste und ihrer Zweige beruht, wie sic<h die Phantasie des 
einzelnen einem oder mehreren dieser Zweige zuordnet und wie 
er den Bestimmungen dient, die von Natur darin liegen. Das 
Werden der Künste scheint zwar ein Spiel des Zufalls, ein 
sinnloses Durcheinander von Willfürlichkeiten zu sein, aber ihr 
fertiger Bestand gleicht einem Bau von klarem Gefüge. Aus 
dem Wesen der Bildhauerei 3. B. haben si< auf langem Er- 
fahrungswege gewisse Regeln hervorgesichtet, erste Grundlagen 
und Bedingungen plastis<en Schaffens, die keiner ungestraft 
mißachtet. 
Weiter! Der eine ist mehr für Mens<<endarstellung, der 
andere mehr für Landschaftsmalerei begabt u. s. w. Die Gebiete 
nun, worauf sich die verschiedenen Talente verteilen, haben ihre 
festen Grenzen, die nicht ohne Schaden überschritten werden. 
Wenn z. B. ein Dichter Episches und Dramatisches mischt, so ge- 
schieht es nur auf Kosten der Harmonie und des Erfolgs. Damit 
ist freilich noch nichts gesagt über das Jndividuelle, unendlich 
Eigne, wie es im einzelnen Fall zu verwerten ist. Wir müssen 
uns begnügen, seiner allgemeinen Bedeutung bewußt zu sein. Die 
Erkenntnis der Geseße und Schranken ermöglicht nicht von 
vornherein festzustellen, wie es sich gestalten wird. Die Aesthetik 
kann jedo< nicht von der Bedingung abhängig sein, daß sie 
alle möglichen Stilharaktere und Kunstwerke im voraus müßte 
nachweisen können. Weiß denn der Staatsrechtlehrer , welche 
Formen des Gemeinwesens noc< auftauchen werden? Uebrigens 
gibt uns die Wissenschaft doh Schlüssel für jedes Künftige. 
Wer die verschiedenen Arten und Richtungen der natürlichen 
Begabung überhaupt unterscheiden gelernt hat, der wird auch 
besser sehen, aus welchen Fäden das Neue, noh nie Dagewesene 
ges<lungen ist. Steht es dann vor Augen, so bleibt zwar sein 
individuelles Wesen als solches ein Rätsel: niemand kann defi- 
nieren, worin es an sich besteht, warum es gerade so und nicht 
anders ist, aber wir erkennen doh die allgemeinen Züge, wor- 
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