Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

3, Exsier Teil. 89, 
Nähe, nicht eigentliche Berührung mit den Gegenständen selbst. 
Wohl tritt auc< er mit ihnen in eine <hemische Beziehung, er 
empfindet ihre in Gasform aufgelösten Atome. Und zum Teil 
dient er gleichfalls der Ernährung, indem er untersucht, ob etwas 
genießbar, s<machaft, wohlbekömmlich ist. Die Nase dient so 
dem Mund als Vorposten. Der Geruch ist ein Bote des Ge- 
j<macs. -- Aber er hat auch feinere Wahrnehmungen. Blumen- 
düfte affizieren nicht bloß sinnlich, es schweben mit ihnen geistige 
Stimmungen herbei, und das hebt schon etwas ins Jdeale hin- 
über. Jedoch in der Kunst darf uns dergleichen nicht unmittel- 
bar vorgeführt werden. In ihrem Gebiet soll dieser dumpfe 
Sinn nicht in wirkliche Funktion treten; denn Gerüche kann 
man nicht bloß scheinbar darstellen, sie werden kein Schein 
wie Geschautes und Gehörtes. Bei der Aufführung von Gou- 
nods Faust in Paris hat man im Augenbli>d der Himmel- 
fahrt Grethens eine Unmasse von Wohlgerüchen über das Pro- 
scenium verbreitet. Das ist grob sinnlih. Mephisto würde 
dazu nur jagen: gut, was wollt ihr dann thun, wenn ich auf- 
trete? 
Uebler Geruch erregt Ekel und wirkt dadurch furchtbar ent- 
sremdend gegen alles Schöne; er ist sein größtmöglicher Feind. In 
einem Raum, wo es übel riecht, kann die anmutigste Erscheinung 
nicht gefallen; und nicht einmal das Wort „stinken“ mögen wir 
gern aussprechen. 
So zart und scheu, so empfindlich und leicht zurücschreFend 
ist der Geruch. Wir bezeichnen diese Gefühlsart der Kürze halber 
mit dem Fremdwort „apprehensiv“, weil es ihre verschiedenen 
Eigens<haften zusammenfaßt. 
Ganz anders beschaffen, als die wahren Organe des Schönen 
berufen, sind dagegen die beiden kontemplativen Sinne: Gesicht 
und Gehör. | 
Wir sehen auf Distanz, ohne daß sich deshalb etwas vom 
gejehenen Körper ablösen müßte. Nur auf den Lichtwellen 
heranfommend, wird sein Schein in Form, Farbe, Bewegung 
von uns wahrgenommen. Um ihn als Ganzes zu fassen und 
die Totalwirkung seiner Oberfläche aufzunehmen , müssen wir 
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