Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

Exsier Teil. 8 4. 
Wenn nun einer daran erinnert, daß man Töne und 
Farben auf Zahlen reduzieren und Linien messen kann, und 
hieraus folgert, es müssen sich auch hinter der Komposition 
Zahlen verbergen, die wir schon noh finden werden, so ist ihm 
zu antworten: auc da, wo man noc< messen kann, wo das 
Mathematische ins Schöne hineingreift, muß es denno< etwas 
Anderes sein als in der eigentlihen Mathematik. Mit dem An- 
jhauen des Schönen ist eine Lust verbunden, grundverschieden 
von der Erkenntnisbefriedigung, die wir genießen, na<dem wir 
ein mathematisches Problem gelöst haben. Wenn aus Verhält- 
nissen Lustbringendes resultiert, so muß unter den Verhältnissen 
etwas Qualitatives steffen. Die Größen sind da nicht pure Er- 
stre>ungen, pure Zahlen; es ist ein Etwas, das sie durchströmt. 
Ein Bauwerk, ein Musikwerk läßt sich wohl nachmessen und nach- 
rechnen, aber der bloße Meß- und Rechenkünstler hätte es nie 
erfunden. Das Geheimnis muß also wo anders liegen als im 
mathematischen Verhältnis. 
Damit sind wir nun zu einer großen Streitfrage in der 
Wissenschaft der Aesthetik gelangt. 
Sehen wir uns bei den Griechen um, so finden wir Be- 
stimmungen, wonach es scheint, daß sie die Ursache des Schönen 
ganz in das quantitative Verhältnis gesetzt haben, in die werpr6rys 
und 5vuverpia. So bei Plato, der die rein geometrischen Körper, 
eine Kugel, einen Würfel, schön nennt. Wir werden es ihm nicht 
entgelten lassen. Sie wirken bloß angenehm auf das Auge, sind 
noch nicht eigentlich s<ön. Doc bei Plato und Aristoteles finden 
sich auch Stellen, worin sie ganz anders vom Schönen reden. Sie 
haben im Grunde eine bestimmte Formel, die das Wesen des 
Schönen umfaßt, noc< nicht gesucht, haben es noch nicht rein 
für sich erklärt. 
Der Saß: das Schöne ist pure Form, ist erst von dem 
Philosophen Herbart auf die Spiße getrieben worden, und 
seine Schule hat in der Aesthetik den reinen Formalismus auf- 
gestellt. Das Schöne ist pure Form, reines Verhältnis und sonst 
gar nichts. Bedeutung und Ausdru> eines Inneren wirkt dabei 
nicht im geringsten mit. Herbart3 Schüler Zimmermann 
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