“ Erster Teil: 84.5.
zwei Werte und die ästhetische Wirkung liege dann nicht in dem
bedeutenden Inhalt, sondern in der mit ihm verbundenen Form.
Also Verbindung von zwei Werten und von diesen ist der eine
außerästhetisch und unwesentlich. Wert des Jnhalts, des Dar-
gestellten ist niht durchaus notwendig. Sogar schlechter Inhalt
kann schön sein, wenn er nur gute Form und Ordnung hat. --
Wenn nun ein frivoler Dichter lauter frivole Motive, die nur
verschieden dur; Ton, Färbung, Charakter sind , in gehöriger
Zusammenstimmung vereinigt, so muß Zimmermann auch das
loben; er fann diese Konsequenz nicht abwenden. = =
Nein! Gehalt in der Seele des Künstlers, des Dichters!
Die Größe seiner Seele verhält sih zu dem, was er schafft,
nicht nur wie ein angeleimtes Brett, das ihm wie ein zweiter
Wert hinzukommt, sondern sie wird von innen heraus wirken;
sie selbst wird die Formen stre>en, so daß sie große gleich-
artige Bahnen annehmen. Wer keine große Seele hat, wird
kein großes Kunstwerk erfassen. Im Genie werden große Ge-
danken große Formen.
Im gewöhnlichen Leben pflegt man freilich dieser forma-
listisc<en Ansicht beizustimmen. Man sagt oft: wie schön ist das
und überdies wie tief gedacht. Mit dem „überdies“ gibt man
Zimmermann re<ht. Aber große Gedanken sollen nicht „über-
dies“ bei der Form, sondern in sie hineingesenkt sein. Das
Geistige, Seelische muß mit den Formen ein Stü> ausmachen
und ist stets ein Stü> mit ihnen im Werke eines großen
Künstlers. Erst kürzlich hat W. Riehl über ein Bildnis Bismarc>s
geschrieben: man spüre ihm an, wie der Maler etwas Geistreiches
gesucht habe, es sei aber keine Größe darin. Darin liegt ein
wahrer Gedanke. Ist der Kopf groß und der Künstler nicht
großartig in der Auffassung, so wird er die Größe seines Gegen-
standes nicht herausbringen. Die Seele fährt ihm nicht in die
Hand. Dieses ist das unerforsc<hlihe Rätsel. Also nicht zwei
Werte, sondern ein Wert, eine Kraft!
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