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zu werden, müssen wir also auch näher eingehen auf das Was
im Wie, auf das in der Form Enthaltene. Wir nennen es zu-
sammenfassend Stoff; und die verschiedenen Bedeutungen dieses
Wortes habe ich schulmeisterlih gegeben in Zahlen: 1, 2, 3.
Zunächst denken wir dabei an Materie. Was eigentlich Materie
ist, darauf wollen wir uns hier nicht einlassen, das gehört in
die Philosophie und führt geradezu bis an das Geheimnis der
Welt. Genug, es scheint uns einmal, als gäbe es Materie, es
fommt uns vor, als ob das etwas ganz Dies sei. Doch wir
haben gesehen, daß im Schönen davon abstrahiert wird. Sie
erinnern sich: bei der ästhetischen Betrachtung einer Gegend ziehen
wir gleichsam die farbige Oberfläche hervor und lassen weg, was
dahinter liegt. Wir fragen nicht nach der Textur eines Baums,
nach dem Korn eines Steins. Zwar, es wirkt dies doch mit, aber
wir fragen nicht danac<, was innen drinnen ist, sondern nach
dem Aussehen, es kommt uns darauf an, wie die Anord-
nung dieser Stoffe in der gesamten Erscheinung ihrer Ober-
fläche wirkt. So auch im Gebiete der Kunst. Da fragen wir,
wie gesagt, wenig nac< dem Material, dem verwendeten Stein,
Metall, Holz, Farbstoff ). In der Musik.werden uns die vibrieren-
ven Instrumente und die hierdurch in Schwingung verseßten
Luftkörper nicht bewußt. Zn der Poesie kümmert uns nicht der
Apparat, den der Dichter ja gar nicht zeigt. Zum Beispiel:
statt „es trat ein Mensch zur Thüre hinein“ wird der Dichter
nicht sagen „ein Wesen aus Knochen, Blutgefäßen, Fleisch,
Muskeln, Sehnen“ u. s. w. Und statt „es wurde jemand exr-
stohen“ sagt er nicht: „geshärfter Stahl wurde in seinen Leib
gestoßen“. Die stoffliche Beschaffenheit einer Sache, das mecha-
nische Triebwerk, die Werkstätte eines Vorgangs, einer Hand-
lung wird nicht von ihm bloßgelegt und erörtert. Er zählt nicht
alle Faktoren auf. Der sinnliche Stoff geht im Schönen nur .
verhüllt mit. Es ist freilich nicht dasselbe, ob eine Statue von
Marmor oder von Bronze ist; wir fühlen ihr inneres Stoffgefüge
in der Oberfläße mit heraus. Aber eben nur in der Ober-
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