Full text: Das Schöne und die Kunst (1. Reihe)

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fläße. Wir abstrahieren vom Durchmesser und haben allein 
den Aufriß im Auge, das Ganze der Oberfläche, wie sie ist als 
Produkt der innerlich wirkenden physiologisch -psy<hologis<hen 
Kräfte. Also Stoff im ersten Sinne, in der materiellen Be- 
deutung, kommt hier nicht in Betra<t. Darin hätten die Forma- 
listen recht. 
Wir brauchen aber (zweitens) das Wort Stoff auch in der 
Bedeutung von Süjet, Thema, Vorwurf, Objekt und meinen 
damit den Gegenstand, wie ihn der Künstler oder der ästhetisch 
auffassende Laie vorfindet. Zum Beispiel: Als Schiller seinen 
Wallenstein dichtete, diente ihm die bekannte Geschichte dieses 
Mannes zum Stoff im Sinne des Gegenstands. Es war aber 
dieser Stoff ein großes Konvolut von allerhand historischem 
Material, das außerordentlich schwer zu ordnen war, und es 
kann gar keine Frage sein, daß darin die Ursache der Schönheit 
dieses Stüc>s nicht zu suchen ist. 
Jedoch der Stoff, als Süjet genommen, bringt ja einen 
Inhalt mit sih. Wir finden in dem äußerlich Gegebenen, 
Faktischen einen Sinn, wirksame Jdeen, Kräfte, einen Leben3- 
gehalt. Die Geschichte von Egmont ist mit ihren Ereignissen 
der Gegenstand, das Süjet von Goethes Drama. Zhre innere 
Bedeutung bilden aber die freien Regungen einer Nation 
gegen DespotisSmus. Also Stoff als Lebensgehalt. Das ist 
nun etwas anderes, das ist ein Drittes, das für sich zu betrachten 
ist. Der Lebensgehalt im historischen Stoff Wallenstein ist die 
zum Verbrechen schreitende Selbstüberhebung; und diesen Kern 
hat Schiller nicht weggelassen, sondern gefaßt; er scheint aus 
seinem Werk hervor wie aus einem dur<sichtigen Körper. Aber 
Sciller hat die Kraft dieses Jnhalts poetisch gesteigert: und er 
mußte zu diesem Zwe> seinem Helden Züge leihen, die er in Wirk- 
lichkeit nicht besaß. Da sehen wir, daß das Kunstwerk auch im 
Leben535gehalt des Gegenstandes no< nicht begründet ist. 
Der Paragraph sagt: Zum Lebensgehalt s<lägt sich 
der Geist des Auffassenden und vollzieht an ihm einen 
sc<öpferisc< umbildenden Akt. Der Auffassende vereint sich 
mit ihm, versenkt sich in ihn. Der Auffassende? Da könnte 
Ztp“
	        
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