Radius noch ein Stück der Linie, eine Strecke nötig
und zwar eine endliche Strecke. Nimmt man eine un:
endlichkleine, so kann man zwar noch von Tangente der
Kurve sprechen, stellt sich aber — falls man wirklich alles aus
der Vorstellung verbannt mit Ausnahme der unendlich nahen
Punkte oder der Tangente und der Normalen — die Kurve
selbst nicht mehr vor. Es folgt hieraus und unseren bisherigen
Sätzen:
Satz über das Vorhandensein einer Krümmung.
Eine Krümmung ist nur dann wirklich vorhanden —
sowohl subjectiv wie objectiv — wenn ein allge-
meines räumliches Verhältnis von Radius zur
krummen Strecke (Bogenstück) vorhanden ist. Da
aber das räumliche a: und a:0 für sich nicht
wirklich ist, so ist Krümmung nicht mehr vorhanden,
sobald entweder der Radius unendlich ist oder nur
noch ein unendlich kleines Bogenstück vorgestellt
wird.
Folgerung. Eine Linie ist nicht krumm, falls eine seitliche
Ausdehnung nicht dabei vorgestellt werden sollte, so wenig
wie die Gerade. Den unendlichkleinen Bogen ds dürfen
bezw. müssen wir, so lange wir unsere Sätze über das all-
gemeine räumliche Verhältnis als möglich bezw. notwendig
betrachten, (mit Leibniz, freilich nach anderen Betrachtungen)
als gerade ansehen.
Es ist darum der Satz der höheren Mathematik ds? —
dx? + dy?®? nicht blos angenähert, sondern ohne den ge-
ringsten, ohne einen unendlichkleinen Fehler richtig.
Vom endlich Krummen zum unendlichkleinen Geraden
übergehen heisst: die wirkliche Vorstellung des Krummen
verlassen, das wirkliche Verhältnis von Radius zur Strecke
aufgeben; der endliche Radius hat zur unendlichkleinen
Strecke kein allgemeines räumliches Verhältnis mehr. Das
Verhältnis von unendlichkleinen Strecken zu einander
bleibt nach unseren früheren Sätzen wirklich. Von einer
immer flacheren Biegung zur Geraden übergehen heisst:
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