188 I. Kraft und Stoff
vorgeschlagen, diesen Begriff ganz aus der Physik, ja aus der Natur-
wissenschaft überhaupt zu beseitigen. Bezeichnen wir mit Mach die
einfachsten Sinnesdaten, wie Farben, Töne usw. (Mach rechnet aller-
dings auch Räume und Zeiten, Begehrungen u. a. dazu) als „Elemente“
(hier im psychologischen Sinne genommen), so erschöpft sich nach
Mach und Verworn der Inhalt der sog. Kausalurteile in gewissen )
Funktionsbeziehungen zwischen diesen Elementen. ‚Die Naturgesetze x
sind Gleichungen zwischen den meßbaren Elementen &, S, y...4, U, v ;
... der Erscheinungen. Verfügen wir über alle Werte von &, f,y..., .
durch welche die Werte von 4, u, vv... gegeben sind, so können wir S1
die Gruppe «, Pf, y:..die Ursache, die Gruppe 4, u, v7... die Wirkung 18
nennen‘‘ (Mach, Mech., 4. Aufl., S. 356). Doch ist es nach Verworn 14)
viel richtiger, diese irreführenden Ausdrücke überhaupt nicht mehr zu ;
gebrauchen, sondern nur noch von den ‚„„Bedingungen“‘‘ einer bestimmten ;
Krscheinung zu reden (Konditionalismus). Diese Forderungen haben
gerade in Physikerkreisen viel Anklang gefunden. Je weiter die Mathe- 5
matisierung der Physik fortschreitet, um so näher scheint es den Phy- 5
sikern zu liegen, den mathematischen Funktionsbegriff als das eigent-
lich Wesentliche auch des physikalischen Kausalverhältnisses anzu-
sehen. Wir müssen nun genauer zusehen, wie es damit steht.
Es ist zunächst notwendig, sich klarzumachen, was mit der gebräuch-
lichen Redeweise von einem „ursächlichen‘‘ Zusammenhange eigentlich
gemeint ist. Kine kurze Besinnung zeigt uns, daß dies keineswegs N
immer dasselbe, das ganze Problem schon deshalb also von vornherein
gar kein einheitliches ist, und daß es darum falsch ist, das, was man etwa
an einem oder einigen gleichartigen Beispielen in einer erkenntnis-
theoretischen Erörterung gefunden zu haben glaubt, ohne weiteres für
die ganze Lösung des Kausalproblems überhaupt zu halten. Der gewöhn-
lichste Kausalitätsbegriff steckt in solchen Sätzen wie den folgenden:
Der Schuß durch das Herz war die Ursache des Todes. Die Düngung
dieser Wiese mit Ammonsulfat ist die Ursache ihres besseren Gras-
wachstums. Solche Ursachenurteile fällt schon das Kind und der Wilde,
ja selbst das Tier, wenn auch ohne Worte. Das allgemeine Wesen
solcher Kausalurteile besteht darin, daß wir einen gewissen Erschei-
nungskomplex B in einen eigentümlichen inneren Zusam-
menhang mit einem Komplex 4 bringen, der dem anderen
zeitlich vorherging. Wir sind dabei überzeugt, daß B ohne vor-
heriges A nicht eingetreten sein würde, daß aber umgekehrt, nachdem
einmal 4 eingetreten war, B eintreten mußte, denn „unter gleichen
Umständen geschieht Gleiches‘‘.
Bei einer zweiten Art kausaler Urteile fehlt diese zeitliche Aufeinander-
folge, z. B. bei den Urteilen: die Wärme im Dampfkessel ist die Ursache
des Druckes, oder: der Strom in diesem Draht ist die Ursache des fest-