216 I. Kraft und Stoff
aufnimmt. Goethes lebensvolle und organische N. aturauffassung, wie sie Gi
in den Erdgeistversen niedergelegt ist, bekommt auch von seiten der tr
Physik aus somit ihr Recht, und zwar ohne daß diese sich dabei irgend 3
etwas vergäbe. Und vielleicht kommt auf diese Weise sogar ein Pro- :
blem einmal seiner Lösung näher, das seit uralter Zeit die Menschen
immer wieder genarrt hat: das Problem der Willensfreiheit 174). Doch
davon können wir erst in einem späteren Teile dieses Werkes sprechen
(s. unten S. 510f£.). al.
Es bleibt uns nun zum Schluß dieses ersten Teiles nur noch übrig, „A
den Prozeß der physikalischen Erkenntnis als Ganzes einer kurzen ZU
Erörterung zu unterziehen. Als Realisten sind wir nämlich der An- “
sicht, daß eine solche Erörterung ans Ende und nicht an den Anfang
gehört. Es war eine falsche Anmaßung, wenn die Erkenntnistheorie
ihren Platz vor der Ontologie!75) einnehmen zu können meinte. In Wahr-
heit muß zuerst feststehen, was der Inhalt der Erkenntnis eigentlich
ist, ehe mit Gewinn über den Prozeß, der dahin geführt hat, und die
Prinzipien, auf die er zurückgeht, verhandelt werden kann. Tatsächlich ur
liegt ja auch historisch die Sache so, daß eine neue Erkenntnistheorie ;
jedesmal dann auftritt, wenn große neue Erkenntnisse gefunden waren, pP}
nicht umgekehrt. Die ganze klassische Erkenntnistheorie von Locke ur
bis Kant ist offensichtlich an den großen Errungenschaften der Zeit san
von Kopernikus bis Newton orientiert, ebenso die griechische an den we
Errungenschaften der Geometrie, wie schon Platos bekannter Aus- nä
spruch das zum Ausdruck bringt. So wird auch die neue große Welle dr
naturwissenschaftlicher Erkenntnis jetzt neue Aspekte für die Er- un
kenntnistheorie bringen, und ein Blick in die heutige erkenntnistheore- me
tische Literatur beweist, daß sie dies tatsächlich bereits in einem un- ve
geheuren Ausmaße getan hat. eir
An
17. Der Erkenntnisprozeß in der Physik
Alle physikalische Erkenntnis vollzieht sich in drei Stufen: Zuerst v
wird ermittelt, daß überhaupt unter bestimmten Bedingungen dies %e
oder das geschieht oder (an anderer Stelle) gleichzeitig vorhanden ist; bei
auf diese Weise ergeben sich qualitative Gesetze. Es werden dann da
zweitens die in solchen Gesetzen verknüpften Begriffe, wie beispiels- in
weise Pendellänge und Schwingungsdauer oder elektrische Ladung und Su
Abstoßungskraft, zu meßbaren Größen gemacht, und es wird das ko
quantitative Gesetz ermittelt, beispielsweise festgestellt, daß die the
Schwingungsdauer der Quadratwurzel aus der Pendellänge proportional the
ist. Die so erhaltenen Funktionsgleichungen bzw. Tabellen oder gra- ein
phischen Darstellungen bilden dann die Basis für die dritte und letzte St:
Stufe, die Frage nach dem Warum, d. h. die Frage nach der Erklärun g wä
der betreffenden Erscheinungen überhaupt und ihrer quantitativen I