368 III. Materie und Leben
Der eben angeführte Glaube an eine solche „Ideoplastik‘“ ist übrigens Eı
nur ein Teil des Widerstandes, der sich allgemein in ziemlich weiten, (ni
besonders in religiösen Kreisen, gegen die heutige Vererbungswissen- re
schaft richtet, weil man diese für „allzu mechanistisch‘‘, ja vielfach be
direkt für einen bloßen Ableger des Haeckelschen Materialismus hält, da
über den man nun in der Gegenwart doch endlich hinaus sein müsse. da
Es ist in der Tat nicht abzustreiten, daß den Lehren der Mendel- For- eb!
schung ein mechanistischer Charakter anhaftet, ob auch ihr Urheber un
ein Augustinerabt war; und wenn nicht zum Glück die katholische Ci
Kirche, deren sehr treuer Sohn Mendel war, heute großen Wert darauf ist,
legte, einen solchen Klassiker der Naturwissenschaft in ihren Reihen ges
zu besitzen, so würde wohl hier der Widerstand besonders groß sein, del
zumal wenn die Frage des Mendelns menschlicher seelischer Eigen- wie
schaften in die Debatte gezogen wird (da die Seele nach katholischer Da
Lehre eine selbständige Substanz ist, die vom Körper unabhängig aus
existiert). Es ist ganz lehrreich zu sehen, wie sich streng katholische Ki
Forscher wie Muckermann u.a. mit diesem Dogma einerseits, der Pri
Vererbungswissenschaft andererseits abfinden. Sie sehen die Lösung lich
zumeist darin, daß zwar die Seele ein selbständiges Wesen, jedoch in Me:
ihrer Wirksamkeit an die Materie gebunden sei (wenigstens in der ohr
irdischen Welt). Wie der beste Spieler nicht auf einem zerstörten Kla- Kle
vier, so könne die beste Seele nicht auf einem materiell ungenügenden nic]
Körper spielen. Die Mendelgene wären also sozusagen die für einen räu
ganz bestimmten Spielcharakter erforderlichen Saiten. — Noch viel seh;
radikaler ist die Einstellung in gewissen anderen religiösen Kreisen, vor Meı
allem bei den Anthroposophen und der „Christengemeinschaft“, in isol
denen man die Lehren von der mehrfachen Inkarnation der gleichen Seele ist.
zu verschiedenen Zeiten vertritt. Hier wird die erbliche Übertragung .
seelischer Eigenschaften deshalb meist glatt abgelehnt und die Ver- unn
erbungswissenschaft scharf bekämpft. Wie sich diese Kreise dann gem
eigentlich die tatsächliche seelische Identität eineiiger Zwillinge erklären, die
wäre eine interessante Frage an sie. Wahrscheinlich liegen für solche vor«
Fälle in der transzendenten Welt je zwei gleichartige Seelen bereit, die eine
natürlich auch die entsprechenden Ähnlichkeiten mit den Seelen der- Prol
jenigen Personen haben müssen, die als ihre körperlichen „Eltern“ vori
fungieren. Abe]
Doch wir wollen nicht spotten. Die angeführten, den Naturwissenschaft- Seel
ler zum mindesten sonderbar anmutenden Fragen sollen nur zeigen, erste
daß es tatsächlich auch auf diesem Gebiete für den religiösen Menschen ab.
gilt, von mancher altgewohnten, naiv übernommenen Vorstellung Ab- des
schied zu nehmen. Es hat sicherlich etwas auf den ersten Blick Be- und
drückendes, sich sagen zu müssen, daß auch über die seelischen Kigen- Stell
schaften eines neuen Menschen durch das Würfelspiel der mendelnden siere
RB