4-12 ITI. Materie und Leben
zehnten Jahrhunderts hinausgegangen ist. Es ist das unvergängliche
Verdienst Eduard von Hartmanns?*?), den leider die große Menge
immer nur noch als den Verfasser der „Philosophie des Unbewußten‘“‘
kennt, d. h. als Urheber eines metaphysischen Systems, das immerhin
an vielen Stellen recht angreifbar war, dessen viel größere Leistung
jedoch die Begründung des „kritischen Realismus‘‘ ist, daß er die ganz
neue Fragestellung einer „Metaphysik a posteriori‘® entdeckt und damit
endlich die Kantische, von einem unhaltbar gewordenen Wissenschafts-
begriff ausgehende Auffassung von Metaphysik überhaupt überwunden
hat. (Vgl. dazu auch oben $S. 240f.). In seinem Sinne hat in den letzten
Jahren Erich Becher weiter gebaut, und ihm ist die überaus ein-
leuchtende Definition der Metaphysik als einer ‚Wissenschaft vom
Gesamtwirklichen‘‘ zu danken. In der Tat ist leicht zu zeigen, daß
gerade aus dem Nebeneinander der verschiedenen Wissenschaften erst ;
gewisse neue sachliche Probleme (nicht nur, wie gewisse Philosophien ©
behauptet haben, erkenntnistheoretische) entspringen, auf die die Ein-
zelwissenschaft keine Antwort geben kann, weil sie außerhalb ihres /
Arbeitsfeldes liegen. Den Physiker geht das Seelische und den Psy- )
chologen, wenigstens zunächst, das Physikalische nichts an, ein Problem
entspringt aber, sobald die Ergebnisse beider konfrontiert werden: ;
eben das hier zuletzt erörterte Körper-Seele-Problem, das dement- X
sprechend einen der Hauptgegenstände der Metaphysik bildet. Es Si
liegt in der selbstverständlichen Konsequenz einer solchen, daß sie, 5
da sie grundsätzlich nur mit den am weitesten ausschauenden und des- ie
halb oft erst geahnten Ergebnissen der Einzelwissenschaften zu tun ;
hat, um ein erhebliches unbestimmter und unsicherer sein muß, als S
diese. Das gilt ja im kleineren Maßstabe auch für die Theorie jedes )
Einzelgebiets: je allgemeiner und umfassender die Fragestellung, um
so schwieriger wird das Antworten, allein niemand, der die glänzende
Entwicklung z. B. der physikalischen Theorienbildungen verfolgt hat,
wird daraufhin das Streben nach solchen möglichst allgemeinen The-
orien (s. a. oben S. 31f.) verwerfen. Dann dürfen wir das gleiche aber
auch für die allgemeinsten theoretischen Probleme, eben die der Wissen-
schaft vom ‚,‚Gesamtwirklichen‘‘, in Anspruch nehmen, wenn wir uns .
nur dabei der Schwierigkeiten der Aufgabe bewußt bleiben und uns El
hier erst recht vor jedem voreiligen Dogmatisieren hüten. Wir suchen
somit, anders ausgedrückt, in der Metaphysik nichts weiter, als eine die
Gesamtansicht von der Welt und dem Verhältnis ihrer verschieden- Ar
artigen Erscheinungsgruppen (Körperliches und Seelisches, Natur und tiv
Kultur usw.) zueinander, die uns einerseits einen unmittelbaren An- ph
schluß an die Ergebnisse der Einzelwissenschaften gestattet, anderer- an
seits aber auch dies unser theoretisches Wissen in einen sinnvollen Zu- lie|
sammenhang mit den sonstigen Faktoren unseres Kulturlebens bringt. da
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