496 IV. Natur und Mensch
Noch überzeugender aber als die psychoanalytischen Phänomene sind
die der posthypnotischen Suggestion. Wenn der Hypnotiseur dem Hyp-
notisierten in der Hypnose etwa den ganz allgemein gehaltenen Befehl
gibt, morgen nachmittag um drei Uhr dem ersten ihm begegnenden
Bekannten irgend etwas Liebenswürdiges zu sagen, was sich auf dessen
Berufstätigkeit beziehen soll, und wenn dann die Versuchsperson
diesen Befehl tatsächlich ausführt, jedoch nachher höchst überrascht
ist, wenn man ihr sagt, daß die betreffende Liebenswürdigkeit nicht frei
von ihr gewollt, sondern posthypnotisch erzwungen sei, so geht aus
diesem Sachverhalt eindeutig hervor, daß die von dem allgemeinen
Befehl zu der besonderen Ausgestaltung im vorliegenden Falle er-
forderlichen geistigen Vorgänge sich ihr selbst unbewußt vollzogen
haben. Andererseits ist es ganz unvorstellbar, wie eine rein materiell
gedachte „historische Reaktionsbasis‘“ sollte Derartiges leisten kön-
nen, was doch auf unermeßlich viele verschiedene Weisen varliert wird,
je nachdem welcher Bekannte der Vp. gerade begegnet. Man kommt
hier ohne die Annahme von unterbewußt abgelaufenen seelischen Vor-
gängen einfach nicht durch. Muß man sie aber für diesen Fall ein-
mal postulieren, dann ist es am einfachsten, sie auch in den anderen
allgemein bekannten Fällen zur Erklärung heranzuziehen, wo man z. B.
trotz angestrengten Nachdenkens die Lösung einer Aufgabe nicht findet,
plötzlich aber bei einer ganz anderen Beschäftigung einem diese Lösung
einfällt u. ä. Auch hier wird alles klar, sobald wir annehmen, daß das
Unterbewußtsein weitergearbeitet hat, während das Wachbewußtsein
sich mit anderen Dingen beschäftigte. Hingegen führt das Festhalten
an der Alternative: entweder bewußt oder körperlich auch hier zu den
absurdesten Hilfshypothesen.
Weitere Gründe für die Annahme. des unterbewußten Seelenlebens
bilden die Tatsachen der Persönlichkeitsspaltungen (in schlimmen
pathologischen Fällen der sog. Besessenheit) u. a. m., die sog. Auto-
matismen (Tischrücken, automatisches Schreiben usw.), kurz das ganze
Gebiet derjenigen Erscheinungen, die man zumeist mit dem sog. Okkul-
tismus zusammenzuwerfen pflegt, die jedoch nicht eigentlich okkult
im engeren Sinne sind (s. unten), sondern sich bei Annahme unterbewuß-
ter seelischer Vorgänge heute grundsätzlich der psychologischen Erklä-
rung zugänglich erweisen. Man findet sie in jedem guten Lehrbuch der
sog. Parapsychologie ausführlich dargestellt 43°), sie sind von der gesam-
ten Wissenschaft heute einhellig als wirkliche Dinge anerkannt und dür-
fen in diesem Betracht nicht mit den im engeren Sinne „okkulten‘‘
Dingen, wie Telepathie, Hellsehen usw., vermengt werden, deren Existenz
von vielen Seiten noch bestritten oder mindestens stark angezweifelt
wird. Wir werden von diesen sogleich noch ausführlich zu reden haben.
Einstweilen genügt das Angeführte wohl, um das oben ausgesprochene
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