512 IV. Natur und Mensch
Wenn wir diese Gedanken im Hinblick auf unser Problem jetzt weiter
denken, so ergibt sich, daß die statistische Gesetzmäßigkeit der Physik
(nur eine solche gibt es ja jetzt noch) sich zu dem angenommenen
„Handeln‘‘ des die Welt zuletzt wirklich konstituierenden Psychischen
nicht anders verhält wie z. B. die Selbstmord- oder Eheschließungs-
statistik zu diesen einzelnen Handlungen. Wir können diese als voll-
kommen frei betrachten, jedenfalls geht die Statistik ihre etwaige Einzel- 5
kausalität nichts an, ebensowenig wie die Physik (gemäß der Quanten- N
lehre) die subatomare etwaige Kausalität noch etwas anginge. Jenes D
„Handeln“ aber wäre, zeitlos angesehen, nichts anderes als ein einfaches ;
„Setzen“ und die „Freiheit“ bedeutet nichts weiter, als daß zwischen
diesen Setzungen kein solcher logischer Zusammenhang besteht, daß
mit zweien (s. oben) alle anderen gegeben wären, vielmehr — innerhalb ;
gewisser durch die statistische Regel gezogener, jedoch flüssiger Grenzen —
für jede Teilsetzung eine gewisse Freiheit besteht. Wenn wir dann zu-
gleich an die S. 385, 416 erörterte „Hierarchie‘‘ der teleologischen Be-
trachtung der Natur denken, durch welche immer das Niedere sich als ein Ss
Glied oder Organ des Höheren erweist, so erhalten wir vielleicht eine ;
ungefähre Ahnung von dem wahren Sachverhalte. Ich möchte fast ver- “
muten, daß auch Kant sich denselben so ähnlich gedacht hat, als er }
seine Lehre vom „empirisch unfreien‘‘ aber „intelligibel freien‘ Charakter ii
aufstellte, und daß nur seine Ablehnung jeder metaphysischen Speku- ar
lation ihn gehindert hat, dies sein bloßes „„Postulat‘“ mit näherem Inhalte :C
zu erfüllen. Er konnte wohl auch angesichts des ihm vorschwebenden Si
klassisch mechanistischen Weltbildes der Physik nicht viel anderes vor- m.
gehen. Die Freiheit wäre in diesem Sinne somit direkt der Freiheit des al
Künstlers vergleichbar, der sein Werk „gestaltet“ innerhalb der Regeln är
seiner Kunst. Nur ist in unserem Falle der gestaltende Weltwille in KK
die unzähligen Teilwillen gespalten, deren Stufenordnung den Kosmos Te.
ausmacht. Auf das hiermit unmittelbar zusammenhängende Problem W:
des Weltübels kommen wir unten zurück. An dieser Stelle handelte le
es sich zunächst um das Freiheitsproblem als solches. Wir sehen nun |
wohl, zu welcher Antwort unsere eingangs dieser Betrachtung auf- ;
geworfene Frage führt, was der etwaige Nachweis echten Hellsehens in >
die Zukunft zu bedeuten haben würde. Die Antwort lautet: ein solches
Hellsehen beweist nicht mehr, als was die alltägliche rationale oder us
wissenschaftlich fundierte Voraussage auch beweist, nämlich daß das er?
Geschehen in der Welt überhaupt Regeln gehorcht. Natürlich soll das ne€
nicht heißen, daß der Hellseher zu seiner Kenntnis auf demselben Wege nu
käme, wie wir es beim rationalen Schließen tun. Er weiß vielmehr davon, üb
so wie wir unmittelbar von unserem eigenen Seelischen wissen: wir
haben dies einfach, nicht wir erschließen es. Daß er jenes umfassendere Eı
Wissen aber hat, beweist hinsichtlich der Regelmäßigkeit des Welt- Sn