56 IV. Natur und Mensch
allein sie gedeihen kann: nämlich die Existenz gesunder und arbeitsfroher
Menschen.
Die im letzten Abschnitt erörterten Fragen haben uns nun schon an
das allgemeinere Problem herangeführt, von dem oben die Rede war,
das Problem, wie überhaupt die ganze auf dem rationalen Denken be-
ruhende Umgestaltung der natürlichen Lebensbedingungen und der
ganzen Natur selbst zu bewerten ist. Die Technik ist ja nur ein Teil
dieses die gesamte Menschheitsgeschichte umfassenden und durchziehen-
den Vorganges. Der Mensch hat nicht nur die äußere anorganische Natur
sich dienstbar gemacht und sie zu diesem Zwecke weitgehend verändert.
Er hat auch Tiere und Pflanzen domestiziert, andere ausgerottet, er hat
zuletzt seine eigenen Lebensbedingungen und Lebensgesetze in weitem
Umfange der Herrschaft bloßer Triebe und Instinkte entzogen und so-
zusagen auch sich selber rationalisiert. Es erhebt sich in unserer Zeit
die besorgte Frage, ob diese ganze Entwicklung denn eigentlich eine
gesunde oder eine ungesunde war, ob wir sie begrüßen oder sie verwerfen
und möglichst. hintanzuhalten versuchen sollen. Mit welchem Rechte
erlaubt sich eigentlich der Mensch eine solche Umgestaltung der Natur ?
Oder ist auch das eine ganz müßige Frage und gibt es weder einen Sinn
noch ein Recht hierbei, sondern nur Naturnotwendigkeiten selbst?
6. Naturschutz
Der Mensch hat die Herrschaft über die Natur tatsächlich ausgeübt
Jahrtausende, bevor ihm (bzw. einzelnen erleuchteten Geistern) über-
haupt jemals bewußt geworden ist, welche besondere Rolle er in der
Schöpfung spielt. Soweit wir heute übersehen, taucht dieser Gedanke
erst auf den Gipfeln der kulturellen Entwicklung auf, führt dann aber
sogleich auch zu der Frage nach dem Recht dieser Herrschaft. Diese
Frage wird dann überall im Zusammenhange mit der Religion beant-
wortet, und für uns kommen hier insbesondere zwei dieser Antworten
in Betracht: die jüdisch-christliche und die indische, welche sozusagen
die beiden äußersten Pole der möglichen Stellungnahmen vorstellen.
Die indische Lehre ist so allgemein bekannt, daß sie hier nicht näher
dargelegt zu werden braucht. Sie verneint jedes Vorrecht des Menschen
gegenüber den Mitgeschöpfen und beläßt ihm nur das einzige, daß er
allein von allen die große Täuschung des Willens zum Leben, der die
Quelle alles Übels ist, durchschauen und sich selbst und damit die Welt
zum Nirwana erlösen kann. Im strikten Gegensatz hierzu lehrt der achte
Psalm: „Du hast ihn (den Menschen) wenig niedriger gemacht denn
Gott, und mit Ehre und Schmuck hast du ihn gekrönt. Du hast ihn
zum Herrn gemacht über deiner Hände Werk; alles hast du unter seine
Füße getan. Schafe und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Tiere,
die Vögel unter dem Himmel und die Fische im Meer und was im Meer
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