Full text: Ergebnisse und Probleme der Naturwissenschaften

564 IV. Natur und Mensch 
technischen Fortschrittes ist. Dieser Satz erfordert allerdings eine Kin- 
schränkung. Es ist damit nicht gesagt, daß nun dieser Prozeß dem 
Anwachsen einer linearen oder womöglich gar einer Exponentialfunktion 
(arithmetische bzw. geometrische Reihe) gleichen müßte. Man kann 
sich vielmehr sehr wohl vorstellen und. sollte wenigstens dahin streben, 
daß er sich sozusagen einem oberen Grenzwert nähert. Wenn 
nämlich ein Mensch gesunde Wohnung, ausreichende, aber nicht luxuri- 
öse Ernährung, genügend helle Beleuchtung und warme Heizung, sowie 
zweckentsprechende Kleidung besitzt, so hat er in der Hauptsache alles 
Wesentliche, was zum äußeren Leben notwendig ist, und es ist keines- 
wegs an sich nötig, daß er dann in diesen Beziehungen seine Ansprüche 
noch dauernd weiter steigern müßte. Der blinde Glaube an den ewigen 
Fortschritt verführt auch hier zu Fehlschlüssen. Es ist sehr zu bezwei- 
feln, ob in zweitausend. Jahren, wenn auch die menschliche Technik bis 
dahin noch sehr wesentliche Fortschritte macht, die Durchschnitts- 
wohnung wesentlich luxuriöser aussehen wird als heute eine gut ein- 
gerichtete Einfamilienvilla mittlerer Größe. Man wird allerdings wohl 
eine Menge uns noch unbekannter technischer Errungenschaften darin 
vorfinden, vermutlich wird jede ein flaches Dach als Abflugplatz für das 
Privatflugzeug besitzen, man wird, wie das Laßwitz in seinem Mars- 
roman so anschaulich geschildert hat, wahrscheinlich durch Rohrpost- 
verbindung oder ähnliches sich die Lebensmittel nach Belieben von einer 
Zentrale durch Druck auf einen Knopf besorgen, man wird Fernsprech- 
und Fernsehapparat vielleicht in jedem Zimmer haben usw., aber mehr 
als ein Bett zum Schlafen, einen Waschtisch zum Waschen, einen Ofen 
oder eine Warmluftheizung zum Heizen, Schränke zum Wegstellen der 
Gebrauchsgegenstände usw. kann man schließlich auch nicht in diese 
Zimmer stellen, und wenn die Menschen vernünftig geworden sind. (was 
hoffentlich bis dahin der Fall sein wird), so werden sie sich selber sagen, 
daß in allen diesen Beziehungen, wie auch in Hinsicht auf die Kleidung, 
das Einfachste und Zweckmäßigste auch zugleich das Beste und Schönste 
ist. Die Hauptschuld an den immer wieder in der Menschheitsentwick- 
lung auftauchenden ungesunden Übertreibungen des Luxus trägt die 
Modenarrheit und das damit verbundene Streben nach Übertrumpfen 
der anderen. In dieser Hinsicht hat besonders die Frauenwelt noch un- 
endlich viel zu lernen. Das alte Märchen von „den Fisker un sine Fru“ 
spricht tiefste Wahrheit aus. Wenn man diese Ursache einerseits, die 
auf diese Schwäche spekulierende Erwerbsgier andererseits in den ge- 
bührenden Schranken halten könnte, so wäre durchaus ein — vielleicht 
gar nicht einmal in sehr ferner Zukunft liegender — Zustand „zivilisa- 
torischer Sättigung‘ denkbar, der sich ebensowenig grundlegend mehr 
ändern würde, wie sich die einmal gefundene Lösung eines bestimmten 
technischen Problems (s. oben) noch wesentlich ändert. Aber das blinde
	        
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