74 I. Kraft und Stoff
Der Energiesatz führt, wie wir oben sagten, mit Notwendigkeit zu für
dem Postulat einer allen verschiedenartigen physikalischen Erschei- Ge
nungen zugrunde liegenden letzten Einheit. In der Tat zeigt denn auch Du
die ganze Entwicklung der Physik seither eine solche vereinheitlichende Te:
Tendenz, wie wir nunmehr im einzelnen aufzuweisen haben. Die heutige ni
Physik kennt nur noch zwei große Hauptgebiete, die „Physik der st
Materie‘ und die „Physik des Äthers‘“. Zur ersteren gehören neben der Ol
Mechanik die Akustik als die Lehre von den (großenteils hörbaren) EN
schwingenden Bewegungen sowie die Wärmelehre, wie wir sogleich kin
näher begründen werden. Die Physik des Athers andererseits umfaßt übe
Elektrik, Magnetik und Optik, wie im übernächsten Kapitel näher za
darzulegen sein wird. Zwischen diesen beiden Gebieten laufen aber die
ebenfalls bereits unzählige Fäden hin und her, so daß an einer end- re
lichen vollständigen Vereinheitlichung kaum noch zu zweifeln ist (wie Le
wir überdies weiter unten ausführlich begründen werden). Unsere ie]
nächste Aufgabe ist es, darzutun, wie sich die Wärmelehre den all- an
gemeinen Grundbegriffen der Mechanik einfügt. ae
6. Die kinetische Wärmetheorie En
wurde schon 1738 von Daniel Bernouilli ausgesprochen, dann aber OH
wieder fallen gelassen. Ihre eigentliche Begründung erfolgte in den IC
Jahren 1856/57 durch Krönig und Clausius, ausgebaut ist sie dann #
besonders von Maxwell, van der Waals, Boltzmann und in neuerer He.
Zeit von Planck, Einstein, Debye u. a. Da es sich dabei fast überall Kö
um schwierigere mathematische Herleitungen handelt, so müssen wir Vi
uns hier mit einer ziemlich oberflächlichen Skizze begnügen, in der der
leider dann gerade die überraschendsten und schönsten Erfolge der Ve.
Theorie nicht recht zum Ausdruck kommen können. Das wolle der Fo:
Leser im folgenden sich gegenwärtig halten. bei
Der Grundgedanke der kinetischen Wärmetheorie ist die schon leg.
S. 10, 21 ff. kurz gestreifte Hypothese, daß das, was wir Wärme nennen und (a
mittels der Haut empfinden, nichts anderes ist als die kinetische Energie Üt
der sich unausgesetzt bewegenden Moleküle der Körper. Genauer muß es Ta
heißen: Unsere Haut empfindet es als Wärme, wenn die durchschnitt- deı
liche Energie der äußeren Moleküle (etwa der Luft) größer ist als die kaı
der Hautmoleküle, so daß bei ihren fortwährenden Zusammenstößen auc
im Durchschnitt die äußeren Moleküle mehr Energie an die inneren Dif
abgeben als diese umgekehrt an jene®). — Vom Standpunkte der Er- deı
kenntnistheorie aus ist diese Hypothese an sich um nichts wunderbarer vie
als die von niemand bezweifelte Tatsache, daß es die schwingende ZUS
Bewegung der Luft ist, die uns, indem sie das Ohr erregt, die Ton- klä
empfindung veranlaßt. — Im allgemeinen haben nach der Hypothese die
alle Moleküle eines Körpers ungleiche Geschwindigkeiten, maßgebend au