Negativprocess. 279
+*heil hat, dass die Aufnahme selbst, die beim Zeichner Stunden und
wohl Tage erfordert, beim Photographen in wenigen Secunden oder
Minuten vollbracht ist, und das, während der Zeichner nur ein einziges
Bildexemplar erhält, der Photograph bei seiner Aufnahme ein „Platte“
fertigt, von welcher er Hunderte, ja Tausende von Bildern copiren
kann.
Die Vorbereitungsarbeiten sind demnach in der Photo-
graphie die Hauptsache. Diese müssen deshalb aber auch mit
der allergrössten Accuratesse und Reinlichkeit einerseits, mit
Geistesgegenwart, Sachkenntniss andererseits vollzogen wer-
den, wenn man eines guten Resultats gewiss sein will.
Das beste Collodium nutzt nichts, wenn die damit aufgenommene
Person schlecht gestellt und noch schlechter beleuchtet ist. Das ge-
schmackvollste Arrangement nützt aber ebenso wenig, wenn das
Qilberbad seinen Dienst versagt. Und was fängt man mit einer
Platte an, die mit den besten Materialien tadellos rein hergestellt
und einen noch so malerischen Gegenstand zeigt, wenn diese theils
durch Mängel des optischen Apparats, theils durch Nachlässigkeit
beim Einstellen desselben gänzlich unscharf oder verzeichnet ist?
Jede einzelne Vorbereitungsarbeit, und es giebt deren
viele, muss deshalb vorher mit allergrösster Sorgfalt ausgeführt sein,
keine darf vergessen, keine als nebensächlich betrachtet werden. Und
wer in dieser Hinsicht nicht mit ungeheurer Strenge, und Gewissen-
haftigkeit zu Werke geht, der wird nie ein photographischer Künst-
ler werden, sondern nur ein Sudler.
Anfängern ist namentlich zu rathen, die photographischen Auf-
nahmen nicht eher zu beginnen, als bis sie sich überzeugt haben,
dass alle dazu nöthigen Apparate und Chemicalien. vom ersten bis
zum letzten im normalen Zustande zum Gebrauche bereit stehen.
Wie oft passirt es bei Schülern, dass eine gegossene Collodion-
platte eintrocknet, weil ihnen der Taucher zum Einsenken in das
Silberbad nicht bereit gelegt war, wie oft verdarben ihnen andere
belichtete Platten, weil sie vergessen hatten, vorher Entwickler zu
machen, hundert anderer Zufälle nicht zu gedenken.
Photographische Aufnahmen direct nach der Natur kann
man auf zweierlei Weise fertigen, entweder mittelst des Lichtpaus-
processes oder in der Camera obscura (siehe p. 178). Pausprocesse
giebt es sehr verschiedene, Processe, die in der, Camera obscura
anwendbar sind, aber nur einen; dieser beruht auf Anwendung der
drei Silbersalze Jodsilber, Bromsilber und Chlorsilber, die in der
Camera obscura einen Lichteindruck annehmen, welcher durch eine
nachfolgende Entwickelung sichtbar gemacht wird. Dieser Process
liefert zunächst ein Negativ, nach welchem mit Hülfe des Talbot’schen
Processes (siehe p. 6) ein Positiv gefertigt wird, Diese beiden
Hauptprocesse für die Photographie werden wir jetzt speciell. be-
trachten.