Positivprocess oder Silberdruckprocess. 335
Das Silber, welches die Lichter deckt, erscheint nämlich im
reflectirten Lichte grauweiss, also hell; die ungedeckten durchsichtigen
Schatten lassen den dunklen Hintergrund durchscheinen, sie erscheinen
demnach dunkel, das Ganze daher als Positiv. Wegen der starken
Deckung unserer Negative sind freilich die feineren Details in den
Lichtern nicht sichtbar. Ist die Belichtung aber kurz, die Verstär-
kung unterlassen, so erlangt man ein gut detaillirtes Bild, Panotyp
genannt. Diese Panotype waren in der ersten Zeit des Collodium-
verfahrens sehr im Schwunge. Ihre graue Farbe jedoch, ihre Ver-
kehrtheit in Bezug auf Rechts und Links und zum Theil ihre Zer-
brechlichkeit veranlassten, dass der Geschmack daran sich rasch ver-
lor und sich den Papierbildern zuwandte, die durch Belichten eines
lichtempfindlichen Bogens unter einem Negativ hergestellt werden.
Diese darauf abzielenden Operationen fasst man unter dem Namen
des Copir- oder des Positivprocesses zusammen.
Man unterscheidet zweierlei Copirprocesse:
1) Das directe Copirverfahren, bei welchem die Belichtung
so lange fortgesetzt wird, bis das Bild die erwünschte Intensität hat.
2) Das indirecte Copirverfahren oder Copirverfahren
mit Entwicklung, bei welchem das Papier nur sehr kurze Zeit
belichtet und dann das Bild durch ein Entwickelungsverfahren heraus-
gebracht und bis zur gewünschten Intensität gekräftigt wird. Dieses
Verfahren ist dem Negativprocess analog und kann man auch diesen
zur Aufnahme eines Transparentpositivs auf Glas verwenden.
Das directe Copirverfahren ist das allgemeiner üb-
liche.
Wie schon aus den Capiteln über die Photochemie des KEisens,
Chroms, Silbers, Urans hervorgeht, ist die Zahl der Copirprocesse
sehr gross, Man kann nach Zeichnungen directe Copieen mit Hülfe
des Silberdrucks nehmen (Lichtpausprocess), man kann Bilder in
Gold, Silber und Pigmenten herstellen, das Negativ auf Stein und
Metall reproduciren und erstere nachher abdrucken etc. etc. Gewöhnlich
pflegt man unter photographischem Copirprocess im engeren Sinne
den durch directe Wirkung des Lichtes auf einem lichtempfindlichen
Bogen ausgeübten Bilderzeugungsprocess zu begreifen; hierher ge-
hört die Herstellung der Silber-, Eisen-, Uranbilder der Pigment-
drucke etc. (siehe den ersten‘ Theil).
Von diesen verschiedenen Copirverfahren hat bisher nur eines in
der photographischen Praxis allgemeinen Eingang gefunden, d. i. der
directe Silberdruckprocess, d. h. die Herstellung eines Bildes
auf mit Silbersalzen getränktem Papier. Er ist von allen Processen
am leichtesten zu handhaben, giebt mıt den einfachsten Hülfsmitteln
die schönsten Resultate und würde vollkommen sein, wenn seine Pro-
ducte nicht so leicht dem Verderben ausgesetzt wären, indem schäd-
liche schwefelhaltige Gase auf die „Silberbilder“ in ähnlicher Weise
nachtheilig wirken, wie auf Silbergeschirre, sie werden dadurch unter
Erzeugung von Schwefelsilber theilweise gelb.
Daher hat in neuerer Zeit namentlich für Herstellung documen-
tarisch wichtiger Bilder der Pigment- oder Kohlendruckprocess be-