Full text: Lehrbuch der Photographie

538 Ueber Kinderaufnahmen. 
Kopfhalter der Person an (nicht den Kopf dem. Halter), 
überzeuge sich mit raschem Blick über die richtige Beleuchtung, 
Umrisslinien, Faltenwurf, Anordnung, dann arbeite man ohne Säumen 
los. Störend ist jede dritte Person, Lärm in Nebenzimmern, 
Hin- und Herlaufen etc. Rücksichtslos ist es, die Person in den 
Kopfhalter ‘ gespannt auf die Platte warten zu lassen, oder halbe 
Stunden lang an ihnen herum zu arrangiren, gegebene Stellungen 
wiederholt zu ändern etc. Die Personen merken dann, dass der Pho- 
tograph seiner Sache nicht gewiss ist und verlieren das Vertrauen. 
X. Ueber Kinderaufnahmen, 
Es ist kein Wunder, dass die lieben Kleinen bei ihrem Erscheinen 
im Atelier häufig das Entsetzen der Photographen sind, denn ihre 
Aufnahme ist stets mit Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten aller 
Art verknüpft. Wie oft kommt es vor, dass nach stundenlangem 
fruchtlosen Bemühen der Photograph genöthigt ist, ein Kind fortzu- 
schicken, um in der übelsten Laune seine übrigen wartenden Kunden 
zu befriedigen. Petsch, der in Kinderaufnahmen Treffliches geleistet 
hat, sagt darüber:*) 
„Wenn ich mir erlaube meine Erfahrungen über diesen Gegen- 
stand vorzulegen, so erwarte Niemand, dass ich eins jener geprie- 
senen. Momentcollodien zu empfehlen beabsichtige, Viel wichtiger 
scheint es mir zu sein, die zweckmässigste Behandlung der kindlichen 
Natur zu erörtern, woran sich eine Besprechung der übrigen Bedin- 
gungen schliessen mag. Denn nur durch ein günstiges Zusammen- 
wirken aller jener Bedingungen, welche bei der Aufnahme in Be- 
tracht kommen, ist ein angenehmes Kinderbild möglich. Es käme 
also zunächst darauf an, diese Momente vor der Aufnahme so günstig 
wie möglich. zu gestalten, um sie im richtigen Augenblick ent- 
sprechend beherrschen zu können. Betrachten wir uns zuerst diese 
Bedingungen einzeln, und untersuchen wir, wie wir uns dieselben 
zur Aufnahme verschaffen können. 
Die Unbefangenheit des Ausdruckes, welche man bei jedem 
Kinde um so mehr zu fordern berechtigt ist, als sie in der Natur 
desselben wesentlich begründet ist, wird schon stark beeinträchtigt 
durch die häusliche Bearbeitung der lieben Eltern, welche das Kind 
durch verschiedentliche Exercitien in Wort und That auf den grossen 
Act vorbereiten. Die Kinder betreten nach dieser ungewöhnlichen 
Behandlung mit Misstrauen das Atelier. Zuweilen haben sie ähn- 
liche unangenehme Proceduren mit dem „Onkel Doctor“ vorgehabt, 
wobei ihnen ebenfalls Stillhalten anbefohlen wurde. Hier müssen wir 
suchen, soweit dies noch möglich ist, die Wirkungen dieser falschen 
Sorgfalt abzuschwächen. 
Der erste Eintritt ins Atelier macht schon viel aus. Alles Schie- 
*) Siehe photogr. Mittheilungen, 8. Jahrgang, p. 222.
	        
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