Full text: Lehrbuch der Photographie

540 Ueber Kinderaufnahmen. 
klein, so unterlässt man besser die Aufnahme an diesem Tage; denn 
das allenfalls bei grosser Mühe Erreichte würde weder uns noch 
den Kunden gefallen. Oft wird indessen, trotz einiger Ungunst der 
Verhältnisse, die Aufnahme gelingen, wenn man im Stande ist, die 
Aufmerksamkeit der Kleinen zu fesseln, um so eher, wenn wir unsere 
Bemühungen auf den richtigen Moment zusammenfassen. Es ist da- 
her nöthig, mit der Anordnung der Stellung erst zu beginnen, wenn 
die Platte schon im Atelier ist. ‚Von Stellung kann eigentlich bei 
den kleineren Kindern kaum die Rede sein; sie ist auch gar nicht 
nöthig. Setzt man die ganz kleinen auf einen Stuhl mit recht- 
winklig gerader Lehne, so dass sich das Köpfchen anlehnen 
kann, so sitzen sie, vorausgesetzt, dass man das vorn über Unbe- 
fangenheit Gesagte beachtet hat, so natürlich und angenehm, wie 
man sich wohl die Erwachsenen auch wünschen möchte. Die Mutter 
setzt sich sogleich dicht daneben, um dem Kinde das Gefühl der 
Sicherheit zu geben, und fasst durch die Lehne das Kind möglichst 
fest. Das Einstellen muss flink gehen. In diesem Augenblick kommt 
es auf das geschickte Zusammenwirken zweier Pesonen an. Der 
Eine beschäftigt in einigen Schritt Entfernung das Kind, der Andere 
lauert am Objectiv auf den Augenblick vollständiger Ruhe. Diesen 
Augenblick zu einem möglichst langdauernden zu gestalten, ist nun 
Hauptsache. Ein Spielzeug, welches Auge und Ohr zugleich ange- 
nehm beschäftigt, plötzlich aus einer Schachtel herausgeholt, thut 
gewöhnlich die gewünschte Wirkung. Wichtig ist dabei, Alles, was 
daneben die Aufmerksamkeit ablenken könnte, aufs Strengste zu ver- 
hindern, selbst Bewegungen der beiwohnenden dritten Personen 
müssen vermieden werden. Von Vortheil ist es natürlich, gleich 
drei Aufnahmen hinter einander auf der Platte zu machen, da man 
sich hierdurch die Möglichkeit des Erfolges mehr sichert. 
Hat man mehrere Kinder hintereinander aufzunehmen, so ist es 
praktisch, erst das dreisteste zu nehmen. Die andern gewöhnen sich 
dann an den ‘Raum und schöpfen Muth, wenn sie sehen, dass dem 
Brüderchen nichts geschehen. Ist es schon schwer ein Kind auf- 
zunehmen, so verdoppelt und verdreifacht sich die Schwierigkeit bei 
Gruppen. Wenn man daher des Erfolges nicht einigermassen sicher 
ist, so thut man gut, dergleichen schwierige Aufnahmen abzulehnen 
und Einzelbilder anzurathen, selbst wenn man gerade die Zeit zu 
Versuchen hätte. Denn nachdem man sich mit der Gruppe vergeb- 
lich bemüht und alle seine Trümpfe ausgespielt hat, wird man auch 
mit den Einzelbildern kein Glück mehr haben. Die Geduld ist vor- 
bei, alles Singen und Pfeifen macht die Kleinen nur lebhafter. Das- 
selbe gilt für schwierige Stellungen, wie für die so oft geforderten 
Genrebilder. Hierzu ist eben nicht jedes Kind zu brauchen, und kann 
man in letzterem Falle in seiner Weigerung gar nicht standhaft 
genug sein. Ebenso wenn das arme Kleine 3—4mal hintereinander 
in verschiedenen Anzügen und mit verschiedenen Personen zusammen 
photographirt werden soll. Durch Vertheilung der Aufnahmen auf 
verschiedene "Tage kann man sich hier allenfalls helfen. 
So schwierig der Fall auch sein mag, soviel uns die Kinder und
	        
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