Die Principien der Negativretouche von Portraits. 11
Haarconturen, auf die Beseitigung von Falten in schlechtsitzenden
Kleidern, wie sie an Aermeln, Schulterstücken der Damen, an den
Beinkleidern von Männern fast nie zu umgehen sind,
Es ist ferner gewiss ein Umstand, welcher der Retouche und
vorzugsweise derjenigen des Negativs hohen Werth verleiht, dass man
durch geschickte Ausübung derselben eine ganze Menge von Un-
schönheiten zu beseitigen vermag, deren Bekämpfung durch Stellung
des Originals, durch Arrangements, durch allerlei Experimente nur
theilweise oder unter grosser Ermüdung der Betheiligten zu ermög-
lichen gewesen wäre.
„Dies wären, sagt H. Hartmann”), im Allgemeinen die Grund-
sätze, die bei einer auf mehr als eine oberflächliche Glätte abzielenden
Retouche geltend zu machen wären. Ich bin überzeugt, dass jeder
mit Kritik und Vorsicht an die schwierige Arbeit der Retouche gehende
Künstler mit Anwendung derselben fleischige und lebendige Bilder
erzielen wird, während ein gleichgültiges Zudecken und Glätten aller
Dunkelheiten jene gypsartigen und gedunsenen Bilder hervorbringt,
die den Mangel einer anatomisch richtigen Modulation, eines natür-
lichen Korns und einer gesunden Rauhigkeit, wie sie die menschliche
Haut zeigt, durch eine zu weit getriebene Glätte und Gelecktheit
nur schlecht ersetzen. Durch Zeichnen nach der Natur, durch
eifriges Studiren der vorzüglichen Portraits, wie sie neuere und ganz
besonders auch ältere Künstler in so reicher Anzahl lieferten, durch
Sammeln von guten Nachbildungen lässt sich Geschmack und Ur-
theil sehr ausbilden; ich irre wohl kaum, wenn ich diesen, für Jeden
leicht zu beschreitenden Weg als einen sicher zum Ziele führenden
bezeichne.“
Wie dem Maler gründliche Kenntniss der Anatomie nöthig ist,
so. gilt dasselbe für Retoucheure. Hartmann hat durch seine Publi-
kation über Anatomie des Kopfes (siehe Bd. IV d. Buches p. 161)
den Fachgenossen einen grossen Dienst geleistet.
*) Der leider verstorbene Bearbeiter von Grasshoffs Retouche (Berlin bei
G. Schmidt).