l VIL. Kapitel.
Brennweite für schiefe Strahlen, wie die Secante des halben Bild-
winkels © wachsen soll, wenn sie das aber nicht thut (wie es meistens
der Fall ist), so wird man beim Messen der Brennweite nach der
Methode der Bildgrössen verschiedene Brennweiten finden, wenn man
Objecte von anderer angularer Grösse wählt. Mit der Bestimmung
der Cardinalpunkte ist es ganz ähnlich. Hat man dieselben bei einem
mit Distortion behafteten Linsensystem zu bestimmen, so findet man
für jeden Einfallswinkel eine andere Lage der Cardinalpunkte. Man
sollte daher die äquivalente Brennweite und die Cardinalpunkte immer
so bestimmen, dass dieselben von fremden und variablen Elementen
wie Aberrationsreste es sind, befreit sein sollen, d.h. man sollte die-
selben so bestimmen, wie sie erhalten werden, wenn man nach den
anderweit bekannten Elementen, dieselben durch Rechnung mit Hülfe
der Gaussischen Formeln bestimmt!
Diese Idee lag auch meiner Methode in den Photographischen
Mittheilungen 1887, Heft I No. 334 pag. 254—258 zu Grunde. Gauss
hat die Bestimmung der Brennweiten und Cardinalpunkte in all-
gemeinster Weise und mit grösster Schärfe in seinen „Dioptrischen
Untersuchungen“ im Jahre 1841 auf pag. 22—31 abgehandelt, und
ist mir wenigstens keine Methode bekannt, welche nicht daraus ab-
geleitet ist oder sich daraus ableiten liesse. Man bedarf zur Be-
stimmung dieser 3 Grössen, der Brennweite und der beiden Cardinal-
punkte immer dreier Versuche, welche um die grösste Genauigkeit zu
erreichen, möglichst verschieden von einander seien müssen. Die
grösste Verschiedenheit erreicht man aber, wenn man einmal das Ob-
jec6 in unendlicher Ferne und das andere Mal in der doppelten Focal-
distance hat; ausserdem werden in solchem Grenzfall die Rechnungen
noch besonders einfach; dieses war die leitende Idee zu meiner Methode.
Will man sich nicht auf solche Grenzfälle beschränken, und ein In-
strument eigens für diesen Zweck construiren, so ist das von Dr. Meyer-
stein construirte, und in Karl’s Repertorium, 14. Band auf pag. 363
bis 366 beschriebene Instrument ausgezeichnet für diesen Zweck
geeignet. Ich habe mit demselben in den Jahren 1853 und 1854
eine grosse Anzahl Bestimmungen gemacht (zum Zweck die optischen
Constanten der zu Fernrohrobjectiven bestimmten Glasarten zu unter-
suchen) und die Resultate zuverlässig gefunden, zumal unter An-
wendung von monochromatischem Licht. Der einfachste Grenzfall
ist bekanntlich der, dass man ein so weit entferntes Object zur Dis-
position hat, dass die Strahlen, welche dasselbe aussendet, als parallel
angesehen werden können, und man den Winkelwerth des Sehwinkels
desselben genau kennt. Dieser günstige Fall ist übrigens seltener als
man glaubt. Man misst in diesem Fall, mit Hülfe eines Mikrometers
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