Einleitung.
Ein anderer Umstand muss noch erwähnt werden, der im Allge-
meinen ungünstig gewirkt hat, besonders auf den Theil, welcher auf
die photographische Optik Bezug hat, nämlich die schwierige Ent-
wickelung der Vorgänge und Aberrationen der Strahlenkegel im Raum
unter Berücksichtigung endlicher Oeffnungen, welche das körperliche
Bild eines körperlichen Gegenstandes im Raum darstellen. Ohne diese
Vorgänge zu kennen, bleibt nicht allein das ganze Wissen Stückwerk,
ja es verleitet ein solch unvollständiges Wissen häufig zu falschen An-
sichten und Schlüssen. Die bei weitem grösste Anzahl der auf diesem
Gebiet vorhandenen Arbeiten beschäftigen. sich ‚nur mit den Bildern
planer Objekte für unendlich kleine Linsenöffnungen (Aperturen) und
für unendlich wenig zur Axe geneigte Strahlen. So nützlich und noth-
wendig diese Theorie nun auch an und für sich ist, so ist dieselbe
doch weit entfernt von den wirklichen Vorgängen, welche zur Erzeu-
gung solcher Bilder dienen, wie die Photographie dieselben verlangt,
eine richtige und klare Vorstellung zu geben. Die sphärische und
chromatische Aberration der Linsen und Linsensysteme wird in den
meisten Abhandlungen auch nur unter ähnlichen Beschränkungen be-
handelt und geht selten über die Grenze der Betrachtung des Bildes
eines leuchtenden Punktes auf der Hauptaxe für endliche, aber kleine
Oeffnungen und geringe Glasdicken der Linsen hinaus! Man darf sich
daher gar nicht wundern, wenn mancher praktische Optiker die Theorie
mit Misstrauen betrachtet, da die in jenen Abhandlungen gemachten
Voraussetzungen sich nicht mit der Wirklichkeit decken, in einigen
Ausnahmsfällen, wie z. B. beim Fernrohr, nur annähernd. Die Ursache
dieses Missstandes ist leicht zu errathen, die mathematischen Aus-
drücke, welche man bei erschöpfender Behandlung dieser Probleme er-
hält, sind ganz dazu geeignet, auch den unternehmendsten Analytiker
und Arithmetiker zurückzuschrecken. Es giebt jedoch einen Weg,
dessen C. Kellner (der Erfinder des orthoskopischen Oculars) bereits
erwähnt hat, der leichter zum Ziele führt, der Theoretiker soll sich
mit einem Praktiker vereinigen und seine Forschungen an der Hand
des praktischen Experimentes machen! Der Forscher findet dann leicht
die wunden Stellen seines Gegners (der Probleme), an welchen er ins
Innere dringen und die tiefsten Geheimnisse ans Licht ziehen kann.
Besonders dankbar ist dieses, wenn er zuweilen einfache optische Ge-
setze trifft, deren richtige Anwendung nun dazu dient, mit verhältniss-
mässiger Leichtigkeit diesen gordischen Knoten zu entwirren. Ausser-
dem hat es den hoch zu schätzenden Vortheil, dass die praktische
Ausführung eine fortwährende Controlle über die Richtigkeit seiner
Voraussetzungen übt, daher er vor der bitteren Erfahrung manches
reinen Theoretikers bewahrt bleibt, dass ihm vielleicht sein ganzes,