54 I. Kapitel.
haben, da diese es sind, welche in Bezug auf die zu erreichende
Maximalqualität des Bildes eines gegebenen Systems die Stellung
und Grösse des Diaphragmas regeln.
Wir gehen jetzt unter Anwendung unserer bisher entwickelten Formeln
zum Studium der chromatischen Aberration der Linsensysteme über.
Bevor wir jedoch dieses Kapitel schliessen, kann ich nicht umhin,
diejenigen der geehrten Leser, welche wenig oder gar nicht sich mit
der mathematischen Physik beschäftigt haben, darauf aufmerksam zu
machen, dass es zuweilen vorkommt, dass sonst sehr geachtet da-
stehende Journale Abhandlungen aufnehmen, welche dazu geeignet
sind, Irrthümer zu verbreiten, und den Lernenden nur schädigen
können. Als Beispiel will ich hier nur eine Abhandlung von E. Gund-
lach anführen, die in dem „American Annual of Photography“ be-
findlich ist und betitelt „The Equivalent Focus not a Constant“.
Diese Ueberschrift, die also im Widerspruch mit einem der Funda-
mentalgesetze der geometrischen Optik steht, muss jeden Fachmann,
dem sie zu Gesicht kommt, stutzig machen! Die äquivalente
Brennweite eine Variable? Wenn man die Abhandlung liest, so
sieht man übrigens sofort, was den Verfasser, dessen Kenntnisse
darnach sich nicht über die Gesetze der Vereinigungsweite einer
dickenlosen Linse erstrecken, zu diesem Irrthum verleitet hat! Da
ihm die Lehre über die vorhin vorgetragene Theorie der Hauptpunkte
gänzlich unbekannt sein muss, so fällt er schon bei dem ersten
Versuch, die äquivalente Brennweite zweier dickenloser Linsen zu be-
stimmen, hinein! Er überträgt seine Kenntniss des optischen Mittel-
punktes einer Linse ohne Weiteres auf ein System von zwei dicken-
losen Linsen in Distance, indem er stillschweigend annimmt, dass die
Cardinalstrahlen einer Linse, wenn sie mit einer zweiten Linse verbunden
wird, eine solche Anhänglichkeit an ihren „bisherigen Wohnort“
haben, dass sie ihn nicht verlassen, sich also im ganzen System gleich -
falls im optischen Mittelpunkt der ersten Linse kreuzen!
Da ihm darnach die Kenntniss fehlt, dass die Hauptpunkte die
Bilder des optischen Mittelpunktes in der einfachen dicken
Linse sind, so darf man sich allerdings nicht wundern, dass ihm die
Lage derselben in einem System von zwei Linsen unbekannt geblieben
ist! Auf diesem fehlerhaften Fundament errichtet er nun das ganze
Gebäude seiner durch und durch fehlerhaften Arbeit!
Worüber man sich aber wundern muss, ist, dass ein so grober
Verstoss gegen die Elementarsätze der geometrischen Optik von dem
Editor des genannten Journals übersehen worden ist und die questio-
nirte Arbeit dadurch ihrem verdienten Schicksal entgangen ist,
in den Papierkorb der Redaction zu wandern!