+ Geschichte
Da hauptsächlich dreyerley dazu beyträgt , den
Ausdruck, dessen die menschliche Gestalt fähig ist, ber- ut
vorzubringen : das Minenspiel / vorzüglich der Blick un
der Augen, die Stellung oder Handlung des ganzen 2.
Körpers, und endlich die Bewegung der Hände; so vy
sieht man bey genauerer Erwägung deutlich ein, daß jm
die veyden Stücke dem Künstler unmöglich zu, jener
Verlängerung des Augenblicks dienen können, daß viel- (0
mehr strenge Einheit darin erfodert wird ,' wenn der Wd
Ausdruck nicht mit. sich selbst im Widerspruche stehen V
soll. Cs bleibt also kein andres Mittel übrig , um zu- T
gleich das , was vor dem Augenblicke, der dargestellt
wird, hergegangen, und was- auf ihm folgen soll,
auf gewisse Weise sehen zu lassen , als die Bewegung
der Hände. Da ihrer zwey sind, so ist es allerdings
möglich , durch die eine den Anfang, durch die andre
das Ende zwey verschiedner Handlungen anzudeuten.
Uebrigens müssen nicht alle Musxkeln in gleiche
Wirksamkeit geseßt werden, sondern bloß den Antrie-
ben des Gemüths folgen. Die müßigen Theile des
Körpers müssen mit Kunst verborgen werden, und auch
hierin ist Raphael Meister. Niemahls bat er eine un-
nüße Figur dargestellt, und nichts daran ist ohne Be-
deutung. . Man kann sagen, er habe unmittelbar für
die Seele gemahlt. Denn obgleich die geistigen Eimp-
findungen , welche seine Gemählde in uns erregen, |
durch den Sinn des Gesichts in unser Jnnres dringen,
so sind sie doch von einer ganz andern Art als die sinn-
lichen Eindrücke, womit uns die Lieblichkeit der Farben
und „die Magie des Helldunkels schmeichelt. Kurz,
Raphael schwang sich in diesem Stücke zu einer Höhe
der Vortrefflichbeit hinan , über die sich zu erheben
vielleicht nie einen Sterblichen gelingen wird.
Ich
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