Full text: Die Kunst überhaupt und ihre Theilung in Künste (3. Theil, 1. Abschnitt)

1:5 
Skizzen zu den Nibelungen und zu Göthes Faust recht schlagend gezeigt, 
was Styl heißt. Es hat aber einen tiefern Sinn, wenn man das 
Wesentliche des Styls ein Architektonisches nennt: die festen Maaße, das 
Gewaltige und Große der Architektur, ihr in mächtigen Massen sprechen- 
der Rhythmus, der ganze objective Charakter dieser Urkunst dringt auch 
in der Musik und Poesie hindurch, wo wahrer Styl hervortritt, 
S. 528, 
1 An den äußern Grenzen der Kunstschöpfang kann der Styl gegen den 
Geschmack (FF. 509) und das negative Geseß der Correctheit verstoßen. 
2 Da aber der Genius seine Grenze (vergl. 8, 527) nicht immer einhält und da 
ein nicht überwundener Rest der bloßen Subjectivität auch in der objectiven 
Auffassung zurückbleibt, so gibt es Manier am Style. Ferner wird der 
Meister des Styls, wie er seine Höhe auf dem in 8. 411 bezeichneten Wege 
erstiegen hat, auch an einem Punct ankommen, wo er stehen bleibt und dann 
abwärts geht; dann wird sein Styl in Manier versinken. Ebendieß wird durch 
Schüler geschehen, welche seine Formen ohne den inwohnenden Geist sich aneig= 
nen, während andere seinen Styl lebendig fortbilden, den reiferen eines fortge- 
schrittenen Meisters aufnehmen und dann einen eigenen entwickeln, 
1. Nur zu dem Zweeke wird der Begriff des Geschmac>s aus 8.509 
noch einmal aufgenommert, um zu zeigen, wie eben das Große, was im 
Style liegt, über die Tact-Rücsichten des Geschmac>s mit seinen mächtigen 
Schritten gelegentlich rücksichtslos hinüberschreiten kann, Shakespeare ist 
bort schon angeführt und man hat mit Recht von ihm gesagt, daß, wer 
eine grandiose Toga um einen gewaltig bewegten Heldenkörper wirft, 
nicht nach jeder kleinen Falte sehen kann, ob sie geschmac>voll gelegt sei. 
Phantasie, „das Riesenweib, das unter Donnersturm den Mund aufthut, 
nach der purpurnen Wolke die Hand streckt und sie als Gewand umwirft“, 
hat feine Zeit, darnach zu fragen, wie sie im Salon aufgenommen würde. 
Es ist wahr, daß auc<) Geschmacsverlezungen in Begleitung des Styis 
vorfommen, welche nicht aus einem erhabenen Uebersehen , sondern aus 
einer kleinen Absichtlichfeit kommen, die sich seltsam mit der wahren Größe 
verbinden kann. Es ist dieß zu 8. 509 von Shakespeare schon zugegeben; 
seine Geschmaclosigkeiten kommen meist in der Conversationssphäre vor 
und wenn er darin allerdings der Mode seiner Zeit huldigt, also dem, 
was damals für Geschmac> galt, uns aber a!s Ungeschma> gilt, so nimmt 
er do< Theil an der gemeinsamen Schuld einer falschen conventionellen 
Bindung und seine Anbequemung an einen falschen Geschmac> ist ein Ver- 
IH
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.