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umbrischen Innigkeit und Grazie (Raphael) und der feurigen florentini-
schen Bewegtheit , Kraftfälle (M. Angelo); so in Deutschland der des
offenen fränfischen Weltsinns «Göthe), des innerlihen gedankenvollen
s<wäbischen Pathos (Schiller).
2. Nachdem sich uns der Stylbegriff von seiner erst individuellen
Bedeutung zu einer allgemeineren provinziellen und nationalen erweitert
hat, müssen wir von dem Zustande der Reife und relativen Vollkommen-
heit, der uns zu dieser Erweiterung geführt hat, zurü&bli>en auf frühere
Stufen der Unreife und die auf ihnen hervortretenden Styl - Unterschiede,
Es fragt sich nämlich , ob nach oder Angesichts der höchsten Styl - Ent-
wicklung diese frühern Stufen nicht als blos subjectiv, als bloße Manier
erscheinen? Keineswegs , denn auch die ihnen angehörigen Formen des
Sty!s zeigen sich nun als getragen von vem Boden einer engeren oder
weiteren Allgemeinheit. Was an ihnen schwerfällig, hart, e>ig, steif,
schüchtern erscheint, ist Ausdru> des Geistes eines Stammes , Volks auf
dieser Stufez Cimabue , Giotto, Fiesole, Masaccio, Ghirlandajo,
P. Perugino, Fr. Francia, Mantegna, G. Bellini sind nicht Ma-
nieristen , sondern Stylisten, ein Volk ist hinter ihnen, ihre Miän-
gel sind nicht subjective Verhärtung, ihre Art hat troß ihrer Enge
substantiellen Charakter, das Objective, die Großheit ves Styls. Die
deutsche Mülerei ist auch am Schlusse des Mittelalters nicht aus den
eigen , harten, hageren Formen herausgefommen, der Durchbruch der
fließenden Zeichnung war dem späten achtzehnten Jahrhundert vorbehal-
ten, und doh sind jene Formen von einer gravitas durchdrungen, welche
ihnen den Namen des Styls im vollen Sinne sichert. Es ist ein Aus-
dru> der Nothwendigkeit in diesen zur habituellen technischen Ha!tung
gewordenen Auffassungsweisen, der alles blos Subjzective ausschließt.
Dazwischen legen sich allerdings auch einzelne Erscheinungen, die mehr
als bloße Manier zu fassen sind, wie 3. B. die Kunstweise eines Fra
Filippo Lippi, Eigentlich aber tritt die Manier erst mit dem Momente ein,
wo der beginnende Verfall die Subjectivität entbindet. Allein in der
nun gewonnenen historischen- Anschauung erhält selbst die Manier die
Basis einer objectiveren Bedeutung, denn daß die Subjectivität mit ihrer
Eitelkeit sich entfesselt, ist eben auch der Ausdru> eines historischen
Zustands. Insofern spricht man nicht mit Unrecht von einem Style des
Bernini, denn seine eitle, renommistische, knochenlose Manier ist eben das
Spiegelbild einer Zeitstimmung, in technischer Gewöhnung niedergelegt z
alles, was man unter Rokoko begreift, ist eigentlich ganz Manier , heißt
aber als ein verbreitetes Zeitgemäßes do< Stylz die sentimentale Manier,
wie sie seit Klopsto> eingedrungen und in Werthers Leiden, dann in
IJ. Paul ihren höchsten Ausdru> gefunden, kann man aus demselben