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dem Volke in demselben Elemente allgemeiner Unbefangenheit, ex will ihnen
Freude machen und macht ihnen Freude; die relativ größere Bestimmt-
heit ihrer Forderungen kann ihn daher nur heben und fördern. Auf dieser
allgemeinen Grundlage lebendiger Einheit der Kunst mit dem Volksgeiste
war 'das in Griechenland von der Gymnastik aus durc<h alle Künste ver-
breitete Prinzip der Agonistik etwas ganz Anderes, als die modernen
Concurse, Das Urtheil über den Kunstwerth der Wettstreiter war der
Ausdruck des im Volke lebenden Kunstsinns, der Preis war Ehre und
Ruhm des Siegers und- seiner Vaterstadt, das Geschenk nur das Zeichen
davon. In so naturvollen Verhältnißen ist der Ehrgeiz ein durchaus
edler und großartiger Sporn der Kunst, der fruchtbare Reiz der allge-
meinen Oeffentlichkeit des Lebens für die künstlerische Phantasiez dcr
Festjubel eines Volkes schwebt weend und begeisternd bei der Er-
findung und Entwerfung des Kunstwerks vor dem innern Auge und
feuert zur höchsten Entfaltung aller Kräfte an,
S. 504.
Das einzelne Kunstwerk entsteht auch in diesem organischen Lebenszustande
der Kunst seltener durch den unmittelbar zufälligen Anstoß des Naturschönen
(5. 393), als durch Bestellung. Porausgeseßt aber, daß der Künstler keine
Bestellung annimmt, deren Gegenstand er nicht sofort zum innern Motiv erheben
kann, so ist dadurc) die Zufälligkeit, wie ihrer das künstlerische Schaffen bedarf,
keineswegs aufgehoben , sondern nur auf eine andere Stelle gelegt und daher
die Freiheit desselben keineswegs gehemmt. Jene Bestellungen gehen meist von
Gemeinschaften aus und in ihnen sieht sich der Künstler eine von hemmender
zrikischer Einrede noch freie volksthümliche Oeffentlichkeit gegenüber.
Schon zu 5. 393 (B. 11. S, 341) ist auseinandergeseßt, wie die Bestellung
feineswegs unserer Forderung eines zufälligen Anstoßes durc< einen vor-
gefundenen naturschönen Stoff widerspricht. Nur in der Dichtkunst verhält
sich dieß anders, selbst die Musik läßt si eher einen Stoff geben, als siez
wir können aber die allgemeine Betrachtung durc< Eingehen auf diese be-
sondere Natur der geistigsten Kunst hier nicht unterbrehen. Es darf
nun hier yor Allem nicht vergessen werden, daß der Künstler nicht von der
Luft lebt; er ist abhängig und diese Abhängigkeit, weil seine Thä-
tigfeit nicht zu denen gehört, die, weil sie einem täglichen Bedürfnisse
dienen , ihren immer gleichen Gang gesichert gehen, doppelt fühlbar und
in dem bittern Wort ars mendicat ausgespro<hen. Das Gefühl der Ab-
hängigkeit bei der Höhe des innern Berufs der Kunst wird dem ächten
Künstler zum Stachel eines um so edleren, wiewohl yon Reizbarkeit nicht