Full text: Die Bildnerkunst (3. Theil, 2. Abschnitt, 2. Heft)

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Gestalten in ihrem Bewußtsei1 zu bloßen Allegorien geworden sind, im 
heißen Treibhaus ihrer aufgeregten und doch hohlen Phantasie eine über- 
quellende neue Allegorienwelt hervortreibt, Die Unnatur wird hier über- 
haupt doh mit einer gewissen Naivetät betrieben. 
S. 646. 
Die neue Zeit kehrt zum wahren Verständuisse der. Antike und des bild- 
nerischen Stylgeseßes zurück; allein durch die kritisch vollzogene Auflösung des 
Mythus und die vollendete Ungunst der Culturformen ist sie im Gebiete des 
ausdrücklich Idealen und selbst des allgemein und rein Menschlichen auf den 
s<malen Uaum der Reproduction durch künstlerische Rückverseßung eingeschränkt. 
Dagegen entwickelt die moderne Bildnerkunst ein größeres Maaß eigener Le- 
benskraft im Gebiete des geschichtlich Monumentalen, worin jener Ausaß eines 
mittleren Styls zwischen dem classisch reinen und dem naturtreuer individuali- 
sirenden (8. 645, 1.) als ein der Fortbildung fähiger Keim fich erweist. 
Die Auflösung der zweiten Stoffwelt ist in 6. 466 ausgesprochen. 
Die Sculptur ist aber eine wesentlich Götterbildende Kunst z die Reinheit 
der Form im Sinne der directen Jdealität, wonac< die einzelne Gestalt 
s<ön sein muß, setzt ja Götter voraus. Im Begriffe der Versöhnung 
der Subjectivität mit der Objectivität, der als das Wesen des modernen 
Ideals aufgestellt ist, liegt allerdings auch dieß, daß wir die Natur der 
transcendenten Wesen, nachdem wir nicht mehr in die Illusion ihrer wirk- 
lichen Eristenz verwickelt sind, erst recht erkennen und versicehenz auch ist 
in und zu 8. 466 zugegeben, daß wir sie unter Anderem auch noch 
müssen bilden dürfen , so wie im Sc<luß der Anm. zu gs. 444 die Unenti- 
behrlichfeit der Allegorie in der bildenden Kunst bereits angedeutet ist. 
Ganz ohne Götter und Allegorien kann die stumme Bildnerkunst, wo sie 
eine inhaltsvolle Idee in der Abbreviatur Einer Gestalt oder weniger 
Gestalten ausdrücken soll, gar nicht ausfommen. Allein dieß it kein 
wahres Leben, keine Kunstwahrheit mehr; es ist eine formale Restauration; 
vollends die Bildung neuer transcendenter Wesen führt zu Lügen, wie 
die einex Bavaria, wo die stylvolle Ausführung eines inhaltlosen, 
rein hohlen Gedankens den peinlichsten Widerstreit der Empfindung erregt, 
Ueber die vollendete Ungunst der Culturformen vergl. 8. 376, 2. Sie hat 
uns auch den Boden des Genre, wo es gilt, schöne und glülich ent- 
wickelte Menschheit in ihren allgemeinen Zügen ohne historisches Datum 
im Abglanze der Götterschönheit darzustellen , auf äußerst schmale Gren- 
zen eingeengt, Wir sehen kein Nacktes, kein frei fließendes Gewand,
	        
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