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vermittelst dieser Durc<arbeitung seinen Leib erst an sich, so scheint er
auch erst dadur< wahrhaft aus ihm heraus und die Gymnastik ist so das
Band, welches die Einheit schafft im Wesen des Menschen, und diese
Einheit ist Schönheit, Die Barbaren der Bildung bedenken auch dieß
nicht , daß die Schöpfung der Schönheit, zu welcher der Wille durc< all-
seitige Ausbildung den Leib entfaltet, Pflicht ist, indem das Sittengeseß
dem Menschen nicht freistellt, ob er dem Mitmenschen in seiner Gestalt
ein Zerrbild der Menschheit aufzeigen will oder ein wahres Bild. Die
Griechen wußten wohl, was sie thaten, wenn sie die Schönheit wie eine
Tugend ehrten; sie wußten wohl, daß, wo Geschlecht auf Geschlecht be-
müht ist, den Körper zu dem auszubilden, was er sein soll, die Formen
sich allgemein zu der Reinheit entwikeln müssen, die der Einzelne durch
den Adel seines innern Lebens und die besondere künstlerisch gymnastische
Arbeit zur volleren Schönheit zu erheben wirklich fähig ist. Die Gym-
nastif ist also wesentlich die Thätigkeit, worin der Wille die sinnliche Er-
sheinung des Menschen durch seine bildende Arbeit als die Realität seines
Geistes sekt, sie ist die Kunstschöpfung des sinnlichen Daseins, absolute
Grundbedingung im Versöhnungsprozesse der Persönlichkeit , worin sie ihre
Gegensätze, Geist und Leib, zur Harmonie erhebt (vergl.: D. Gymnastik
db. Delsenen u. s. w. von Otto Heinr. Jäger). Hier aber haben wir
die Gymnastik nicht unter dem Standpuncte der Pflicht, unter den sie
unbedingt zu stellen ist, sondern als die schon vollzogene Kunstschöpfung
des Leibes zu betrachten, welche ihr Werk im festlichen Schauspiele auf-
zeigt. Das Aufzeigen wäre jedoch zu sehr bloße Form, wenn nicht ein
Reiz des Zweckes, ein Sporn für den Gymnastiker hinzuträte, wie solcher
in dem Eifer, seine Aufgabe zu lösen und Beifall zu: gewinnen, noch
nicht in hinreichender Kraft enthalten ist: das Aufzeigen .muß Kampf sein,
aber nicht ernster Kampf, sondern Wettkampf um einen Ehrenpreis, sei
es, daß der Wetteifer nur darin besteht, daß Mehrere gleichzeitig dieselbe
Uebung ausführend darstellen und jeder den andern zu übertreffen
sucht, oder daß sie im Scheine feindlichen Kampfs gegeneinander sich an-
greifen und zu überwinden streben (wie im Ringen u. s. w.); beides
umfaßt der Begriff der Agonistik. Ausgeschlossen ist nicht Gefahr, denn
ohne diese gibt es feine Gymnastik, aber rohe Form und bitterer, bluti-
ger Ernstz das Athletenwesen mit seinem wilden Faustkampf und Ring-
saustkampf ( Pankration) war Augartung der Agonistik , die römischen Gla-
diatorenspiele reine Scheuslichkeit, Es wäre nun eine schöne Aufgabe,
in einer Aesthetik der Gymnastik alle Hauptformen derselben so aufzu-
führen , daß an jeder gezeigt würde, wie sie zunächst vorzüglich einen
Theil des Organismus und diesen Theil in anderer Nichtung und Weise,
als jede andere, in Anspruch nimmt, yon da aus aber die Bewegung