IIIl. Kapitel.
Das Moskowiterreich.
$& 1. Gebiet und Bevölkerung.
Bereits der Historiker Ssolowjow hat auf die Wande-
rungen hingewiesen, die sich wie ein roter Faden
durch die Geschichte des russischen Volkes
hindurchziehen, ihr einen nomadenhaften, vagabundieren-
den Zug verleihen. Seine Rettung sah der Russe in der Flucht,
sie war der Ausweg, den er in jeder Not fand, die er beim Anzug
von Feinden ergriff, mit der er jede, ihn drückende Regierungs-
maßregel beantwortetel). Diese Ansicht Ssolow Jjows fand
Anhänger, doch auch Gegner, die in seinen Worten eine Übertreibung
sahen und nachzuweisen suchten, daß die Begründung eines neuen
Haushalts für den Bauern mit zu viel Mühe und Arbeit verbunden
war, als daß er leichten Herzens geneigt sein könnte, von Haus
und Hof zu ziehen, um sich anderwärts eine neue Existenz zu grün-
den. Und doch wird man die nimmerendenden Wanderzüge des
russischen Volkes nicht außer acht lassen dürfen, wenn sie auch
freilich nicht in einer dem Russen anhaftenden eigenartigen Psycho-
logie zu suchen sind, sondern, wie ja Ssolowiow selbst zugibt,
in verschiedenen ihn drückenden Umständen, die ihn veranlaßten,
das Weite zu suchen. Die geographische Lage Rußlands begünstigte
diese seine Neigung, eröffnete ein weites Feld den Wanderzügen
des russischen Volkes. Es wird sich kaum bestreiten lassen, daß sie
— wie Kljutschewski ] ausführt — „ein Grundelement der
Geschichte Rußlands bilden ... Der Gang der Entwicklung, wie
die geographischen Verhältnisse brachten es mit sich, daß die Ko-
lonisierung des Landes nicht schrittweise stattfand, indem die an-
N” Ssolowjow, Bd. XII.