Full text: Die Malerei (3. Theil, 2. Abschnitt, 3. Heft)

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entfernt: ein feines Durchfühlen , Abwägen der Verhältnisse des Lichts 
und Schattens, der Farben ; bestimmter, dem Exacten näher ist die Auf- 
fassung der räumlichen ErstreFfungen und Entfernungen der festen Körper, 
wie denn dieß auf einen Zweig der Wissenschaft führt, nämlich die Lehre 
von der Perspective, Die leztere Seite im malerischen Sehen ist es eigent- 
lich, die der Strenge der Proportionen - Messung in der Bildhauerei ent- 
spricht 3 aber nicht völlig, denn im Acte der Anschauung jedenfalls, den 
wir zunächst im Auge haben und genauer, als dieß in 5. 404 geschehen 
ist, untersuchen , ist dieses Messen noc< kein wissenschaftliches , sondern ein 
unbewußtes, mehr obenhin an Hauptverhältnisse si< haltendes, mehr nur 
ungefähr abshägendes Verfahren des Gefühls, und was die Ausführung 
und ihre Vorarbeit betrifft, so werden wir finden, daß auch hier die Be- 
ziehung auf die Wissenschaft weniger streng ist, als in der Proportionen- 
Messung, wie sie zur Schule des Bildhauers gehört, 
S. 649. 
H Soll nun diese Art der Phantasie eine ihrem Wesen entsprechende Kunst- 
form begründen, so muß sie auf ein Darstellen durch wirkliche Raumerfüllung 
verzichten, den Umriß, die negative Grenze der festen Form, wie ein Positives 
auf eine Fläche werfen und mit einem Scheine von Licht und Schatten und 
Farbe seine Selbständigkeit wieder aufheben, ihn ausfüllen und überziehen. Wie 
der Körper der Fläche zu diesem ihm aufgelegten Scheine sich indifferent ver- 
hält, so ist das wirklihe Licht nur Mittel der Aufzeigung des Scheinlichts 
im Bilde; die dargestellte Schwere hat nichts mit wirklicher Schwere zu thun, 
die Dimensionen sind blos scheinbar und relativ, die freie Ausdehnung in die 
Tiefe ist gewonnen, die Größe und Menge der Gegenstände beliebig, der 
Standpunct rein vom Künstler bestimmt und dem Zuschauer vorgeschrieben , der 
Raum, worin sie auftreten, wird den Gestalten mitgegeben, und dadurch ist, wie 
im Umriß, in der Licht- und Schattengebung die Bilduerkunst, so in gewissem 
Sinn die Baukunst als Moment in dieser Darstellungsweise miteinbegriffen. 
Die Kluft zwischen Erfindung und Ausführung ist verschwunden, 
2. Ein Ganzes der Anschauung, die Farbe und Umgebung der Gestal- 
ten miteingeschlossen, kann niht in Raumerfüllender Weise nachgeahmt 
werden: die gefärbten Figuren wären, wie wir schon gesehen haben (vergl. 
6. 608), Gespenster, für die allgemeinen Medien aber fände sich gar kein 
Material. Das Aufgeben einer buchstäblihen Nachahmung liegt auch 
schon im subjectiven Acte, der ja das feste Körperliche nur als Träger 
von Licht und Farbe anschaut, Dieß „Verzichten auf Darstellen durch 
wirkliche Raumerfüllung“ kann natürlich niht den Sinn haben, als brauche
	        
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