I. Kapitel.
Aufstieg und Niedergang der holländischen
Wirtschaft zur Zeit der Republik.
$ 1. Die Eigenart der holländischen Wirtschaft.
Das Wirtschaftsleben der Niederlande war, wie dasjenige jeden
Landes, in hohem Grade abhängig von den natürlichen Verhält-
nissen. Kaum ein anderes Land trägt so den Stempel seiner geo-
graphischen Gegebenheiten: nirgends fand sich nach Osten und Süden
eine eigentliche natürliche Scheide, wie sie Gebirge, Sprach- und
Klimaunterschiede begründen; nur im Norden und Westen bietet
die Nordsee eine natürliche Grenze!). Schon dieser Umstand ver-
lieh dem Lande eine gewisse Elastizität der Beziehungen zu den
südlichen und östlichen Nachbarländern; sie drücken sich im wirt-
schaftlichen wie im politischen Leben aus. Wie diese offene Grenze
den friedlichen Verkehr erheblich förderte, so war sie anderseits
auch die wundeste Stelle für feindliche Angriffe.
Nicht weniger wiesen die Verhältnisse der Oberfläche und des
Bodens im Innern des Landes auf die Aufgaben hin, die seinen
Bewohnern durch die Natur gestellt waren. Im Flachland gelegen,
zum großen Teil aus Marsch, Geest, Sand, ausgedehnten Mooren
und Heiden bestehend, fehlte es diesem Gebiet an Bodenschätzen,
an Holz, Kohlen, Steinen, Mineralien, Salz. Zu einem Industrie-
land war es deshalb von vornherein nicht berufen; die Industrie,
die sich hier entwickelt hat, ist, abgesehen von den auf der Land-
wirtschaft, der Seefahrt und Fischerei beruhenden Gewerben, eine
mehr oder weniger künstliche gewesen, die meist mit dem Handel
in naher Beziehung stand. Günstiger waren im allgemeinen die wirt-
schaftsgeographischen Bedingungen für die Landwirtschaft, und
1) Vgl. Blink, Nederland I, 8 ff.
Baasch, Holländische Wirtschaftsgeschichte.