Drei Definitionen. 377
In den Jdeen Lessings, so weithin dieselben auch noch herrschen,
fann darum für uns kein Grund liegen, mit den drei Definitionen, in
denen wir die plastische Kunst, nachdem wir ihr Wesen allgemein fest-
gestellt, je nach ihren drei Richtungen <aracterisiren , irgendwie zurüc-
zuhalten. (E35 handelt sich ja nicht darum, ob dieselben jemanden neu
vorfommen, sondern ob sie die volle Wahrheit für sich haben.
Die religiöse Sculptur ist die Kunst, Thatsachen welche der
übernatürlichen Offenbarung angehören, mittelst voll-
ständiger oder stereometrischer Gestaltbilder so darzustellen,
daß die Darstellung geeignet ist, die Christenheit zu erbauen.
Die Sculptur als civile Kunst ist die Kunst, Erscheinungen
aus dem menschlichen Leben mittelst vollständiger oder stereometri-
j<her Gestaltbilder so darzustellen, daß die Darstellung geeignet ist, in
den Beschauern jenen Geist zu fördern, von welchem die Blüte
des bürgerlichen Lebens wesentlich abhängt.
Die hedonis<he Sculptur ist die Kunst, Erscheinungen aus dem
menjchlichen Leben in vollständigen oder stereometrischen Gestaltbildern so
darzustellen , daß die Darstellung geeignet ist, Anderen ästhetischen
Genuß zu vermitteln.
4 Insofern es sich um die Begründung dieser Definitionen handelt,
verweisen wir auf das in den vorhergehenden Paragraphen und im
siebenten Abschnitte von uns Gesagte. Weiteres zu ihrer Vertheidigung
und Erflärung werden wir folgen lassen, nachdem wir im nächsten
Kapitel zuerst das Wesen der anderen bildenden Kunst, der Malerei
nämlich, festgestellt haben.
n Zweites Kapitel.
N Die Malerei oder die graphische Kunst in ihrem Wesen.
en GS. 1,
Die Malerei ist, wie die Sculpfur, ihrem Wesen nach pragmatisch.
Die nahe Verwandtschaft der Malerei mit der Sculptur; Uebergang von dieser
i zu jener. Ueber den Namen „graphische Kunst“. Wie die Sculptur, so
Wo stellt auch die Malerei Erscheinungen aus dem ethischen Leben, =- Hand-
I lung, = dar. Berschiedene Vortheile dieser Kunst vor der Plastik.
387. Eine von den Alten öfter erwähnte eherne Bildsäule des
Lysippus , wel<he „die Zeit“ =- genauer, „den rechten Augenbli“
odder „die günstige Gelegenheit“, x2a10%< == darstellte, hat ein Dichter,
Posidippus, in einem Epigramm gezeichnet, das ein Zwiegespräch bildet
Jungmann, Aesthetik. 2. Aufl. 37