Full text: Sache, Leben und Feinde

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ein paar Collegia bezahlt, aber nur vereinzelte wenige Male be- 
sucht; denn mit den krummen Oberflächen und den krummen 
Linien darauf wusste ich auch ohne Herrn Kummers Heft Bescheid, 
da Monge und seine Nachfolger für mich nicht vergebens ge- 
schrieben hatten. Die Experimentalphysik für Pharmaceuten konnte 
ich aber auch Herrn Dove füglich schenken, zumal seine Zuthaten 
an leichtfertigen Witzen von Studentengenerationen her notorisch 
und nichts Neues waren. Schon in frühern Jahren hatte ich diese 
Spässe und überdies seine viel weniger verzeihliche Leichtfertig- 
keit in der eigentlichen Wissenschaft kennengelernt. Von letzterer 
Art war beispielsweise seine klugthuerische Bemerkung über Co- 
pernicus. Dieser habe dem Satz, die Sonne bewege sich um die 
Erde, den andern entgegengestellt, die Erde bewege sich um die 
Sonne. Beides sei nicht richtig; denn alle beide, Erde und Sonne, 
bewegten sich um ihren gemeinsamen Schwerpunkt. Solche ge- 
schraubt sophistische Spielerei mit Wörtern sollte von Geist zeugen, 
verrieth aber nur den Mangel an jeglichem Ernst und war der 
Sache unwürdig. Von den noch unwürdigern sauberen Witzen 
für die Gallerie der Zuhörer mag ich hier nichts erwähnen. Wer 
das kennt, was die Juristen im Bereich ihrer trocknen Gelehrsam- 
keit als Rechtsamönitäten bezeichnen und leider auch in Vor- 
lesungen und Privatissimis als sogenanntes Studentenfutter ver- 
wendeten, der wird auch daran glauben, dass sich auch physik- 
professorale Amönitäten finden lassen, und dass es leichter ist, 
einen Clown und Possenreisser der Physik, als einen wirklichen 
Physiker abzugeben. Doch genug von dieser Glosse zum univer- 
sitären Text. Ich war gut vorbereiteter Promotionscandidat, 
äusserlich und innerlich gegen Eventualitäten gesichert. Herr 
Trendelenburg war mein Examinator in der Philosophie, und bei 
ihm hatte ich ja einst dem heiligen Aristoteliren obgelegen und 
bis auf den Grund gesehen. Meine Arbeit über Raum und Zeit 
hatte ihm zu schaffen gemacht; er war an solche schwerere Schiffs- 
ladung auf dem hohen Meere der Gedanken nicht gewöhnt und 
überhaupt auf diesem Element nicht heimisch. Aeussere historische 
und meist unverstandene Notizen waren Alles, worüber er in 
dieser balkenlosen Weite verfügte. Er hatte äusserst lange Zeit ge- 
braucht, um die Arbeit durchzugehen, und entschuldigte sich schrift- 
lich mit der unerwarteten Fülle und Gedrängtheit der Gedanken, 
— ein Compliment, das mich sehr kalt liess. Er hatte von der 
Abhandlung nichts begriffen, als das, was man allenfalls die 
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