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chancen; denn das Angebot in schlechten Diensten ist ein sehr
reichhaltiges. Die vorzüglichsten schriftstellerischen Eigenschaften
söhnen mit jenem Mangel an den erforderlichen schlechten Eigen-
schaften nicht aus. Nur ein Gemisch von einigem Talent mit ;
vieler Feilheit ist diejenige Waare, die auf dem Press- und Lite- ;
raturmarkt bequemen Absatz findet. Mit diesen intimen Chancen '
des Schriftstellerthums war ich aber damals fast völlig unbekannt,
und die aus dieser Unbekanntschaft entspringende Zuversicht hat
mich zu manchen Versuchen angetrieben, die ich sonst von vorn-
herein unterlassen hätte. Die nächsten Jahre ‚enttäuschten mich
zu einem guten Theil und veranlassten mich auch zu einer anschei- }
nend kleinen, später aber folgenreichen Abänderung meines Planes.
3. Ehe ich fortfahre, meine äussern Angelegenheiten und u
meine innere Entwicklung darzustellen, muss ich auf die Gestal- n
tung meines häuslichen Lebens hinweisen, deren Werth für mein a
ferneres Schicksal nicht leicht überschätzt werden kann. Ich hatte W
mich schon bei Lebzeiten meiner Tante verlobt, und zwar hatte C
dies derselben sehr zur Beruhigung gereicht. Das junge Mädchen Sı
war das älteste von 0 Kindern eines pommerschen Landwirths A
und mit frischer Gesundheit sowie wirthschaftlicher Umsicht aus- >
gestattet. Sie hatte schon von 17 Jahren ihrem Mutterbruder eine Si
grosse Gutswirthschaft selbständig geführt. Unser gegenseitiges /
Vertrauen, dass Jeder alle Kräfte anspannen würde, ist nicht ent-
täuscht worden, und wir haben es nicht zu bedauern, dass wir
schon 1862 unsere Heirath ins Werk setzten. Beide einfach ge- E
wöhnt, machten wir gleich wenig Ansprüche, und meine Frau hat n
nie daran gedacht, es auch nur als eine Einschränkung aufzufassen, if
dass bei mir ihr Leben sich ganz innerhalb des Hauses concen- g
trirte. Die eingezogene, um nicht zu sagen einsame Lebensweise, b:
auf die mich meine Lage noch mehr als mein Temperament an- ni
wies, war ihr vollkommen recht. Sie verlangte nach keinen Zer- L
streuungen. Sie hat sich stets in der langen Reihe von Jahren, he:
die wir nun schon miteinander zurückgelegt haben, in ihrer Heim- m
stätte zufrieden gefühlt und im gemeinschaftlichen Wirken mit gl
mir ihre Genugthuung gefunden. Bei uns gestaltete sich aber B
das Leben dadurch noch inniger, dass meine Frau auch an meinen nı
eigensten Arbeiten theilnahm. Von ihrer Hand wurden Jahrzehnte wi
lang alle von mir veröffentlichten Werke niedergeschrieben. }
Wir hatten bis 1866 in der Oranienstrasse eine kleine, aber
anständige und freundliche Wohnung. Dort haben wir die ersten U