425 77
sofort druckfertig dictirte und an den Sätzen, wie sie die unmittel-
bare Niederschrift ergab, der Regel nach nichts wieder änderte.
In letzterer Beziehung ging beispielsweise das Manuscript meines
mechanischen Werks, so wie ich es meiner Frau aus dem Kopfe
dictirt hatte, an die göttinger Facultät, und es war darin kein
Wort ausgestrichen oder übergeschrieben. Solche sofortige Glätte
war kein Ergebniss der Leichtigkeit, sondern beruhte auf Klarheit
und Sicherheit der Gedanken. Jedoch die Vorarbeiten, die zu
solchen Werken, wie die meinigen, erforderlich sind, hätten mich
erdrücken müssen, wenn ich nicht Jahrzehnte lang vorher die Ge-
danken zur Reife gebracht und die Thatsachen gesammelt hätte.
Auch hätte ich trotzdem mein Ziel nicht erreicht, wenn nicht die
Art, wie ich arbeitete, von der gewöhnlichen Gelehrtenmanier in
entscheidender Weise abgewichen wäre. So kam es mir beispiels-
weise bei den Wissenschaftsgeschichten sehr zu Hülfe, dass ich
nur in den Originalautoren, aber nicht wie Andere noch allerlei
Bücher über die Bücher jener Autoren las, um über sie ein Ur-
theil zu haben. Ueberhaupt war ich in den Urtheilen unmittelbar
sicher und bedurfte oft nur ein paar Anhaltspunkte, um vollständig
orientirt zu sein. Die schlechte oder gute Physionomie eines
Schriftstellers wurde mir meist aus wenigen Seiten desselben durch
Stil, Allüren und Gedankenfügung klar. Ich sparte auf diese Weise
viele unnütze Wege und kam rasch an die besten Quellen. Uebri-
gens handelte es sich um äussere gelehrte Materialien auch vor-
zugsweise nur bei den Wissenschaftsgeschichten. Hier ist für die
Gelehrten sonst der Büchervorrath die Hauptsache. Ich besass
aber keine Capitalien zu einer Bibliothek und hatte daher noch
obenein die Mühe, alle die Originalwerke, deren ich bedurfte, mir
aus den öffentlichen Bibliotheken zu beschaffen. Bei aller Ein-
dringlichkeit meiner Untersuchung der ursprünglichen Autoren
und letzten Quellen strebte ich jedoch auch hier nach umsichtigem
) Maass in der Anhäufung des Materials und suchte auch in dieser
6 Richtung nicht den Büchern, sondern dem Kopfe das Beste ab-
Ü zugewinnen. Es versteht sich, dass ich in den nichthistorischen
L Schriften ganz ausschliesslich nach diesem Grundsatz verfuhr. Die
| systematischen Werke habe ich unmittelbar aus dem Kopfe ent-
- nommen, in welchem sie selbstverständlich sehr lange gereift und
so gut wie fertig waren, ehe sie niedergeschrieben wurden. UVeber-
haupt liebte ich nicht viel Lectüre und war kein F reund von
Büchern, ausgenommen wenige vorzügliche. Auf diese Weise
I. rn