Full text: Von Plato bis zum 19. Jahrhundert (1. Theil, 1. Abtheilung)

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nun in der Natur der Sache, dafs, je enger begrenzt die Sphäre ist, 
welche sich der Verfasser zur Bearbeitung wählt, desto reichhaltiger 
zwar das historische Detail, um so enger aber andrerseits auch der 
Torizont und um so niedriger der Standpunkt sein wird, den di 
etrachtung einzunehmen im Stande ist. Eine allgemeine Kunst- 
geschichte, d. h. eine nicht nur alle Künste, sondern auch all 
pochen ihrer Entwickelung umfassende Betrachtung hat selbstver- 
ständlich einen ganz anderen, weiteren, nur durch einen höheren 
Standpunkt zu gewinnenden Gesichtskreis nöthig als etwa eine 
Geschichte der Elfenbeinschnitzerei des 17. Jahrhunderts oder der 
orzellanmanufaktur, ja selbst schon einen anderen als eine Ge- 
schichte der griechischen Plastik oder der italienischen Malerei, 
obwohl diese beiden letzteren Beispiele, weil nämlich die Plastik 
ebenso in der griechischen Kunst wie die Malerei in der italienischen 
ulminirte, jenem höchsten Standpunkt historischer Kritik viel näher 
liegen als jene nicht nur historisch begrenzten, sondern auch a 
sich untergeordneten Gebiete, 
17. Von der in der Sache liegenden graduellen Verschieden 
eit der Standpunkte abgesehen, läfst sich nun aber auch eine an 
ere, mehr qualitative Verschiedenheit derselben nachweisen, 
eren Ursprung in der natürlichen Befähigung der betreffenden 
orscher selbst zu suchen ist. In dieser Hinsicht kann denn der 
all eintreten, dafs ein Forscher auf begrenzterem Gebiet im Grunde 
einen höheren Standpunkt einnimmt als einer, der sich eine um- 
assendere Sphäre wählt. Diese letztere Differenz ist eigentlich für 
diese Erörterung allein von Belang, und wenn auch die Wissen- 
schaft selbst an ihre Vertreter die ernste Forderung zu stellen hat 
dafs sie sich auf den Grad ihrer Befähigung hin prüfen, um da- 
nach zu bestimmen, welcher Umfang des Gebiets der Weite ihres 
geistigen Gesichtskreises entspricht, um sich nicht auf Dinge ein- 
zulassen, die eben jenseits ihres Horizonts liegen, so kann es doch 
selbstverständlich dafür keine bestimmte Vorschriften geben. Es 
uß Jedem unbenommen bleiben, sich und seinen Standpunkt so 
hoch zu schätzen, als ihm sein Gewissen oder seine Eitelkeit ge- 
stattet. Nun ist es aber aus der Schwäche der menschlichen Natur 
leicht erklärbar, dafs gerade die Befähigteren sich eher zu unter- 
als zu überschätzen geneigt sind, weil diese nämlich in ihrer Vor- 
stellung dem Ideal näher stehen und daran ihre Kraft messen; 
während umgekehrt die untergeordneteren Geister sich, da ihnen 
dieser Maafsstab fehlt, leicht überheben und also eher zu einer 
eber- als zu einer Unterschätzung inkliniren. Es_kann hier nicht
	        
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