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dem Absterben der Antike überhaupt das ästhetische I
Interesse zugleich auflöste und mit vernichtete? SS
9. Welche Gründe sind es, dafs das ästhetische Interesse welch
nicht mit dem Wiederaufblühen der Kunst im Mittelalter st, 5
sofort ebenfalls wiedererwachte und sich fortbildete, gel, ©
sondern dieses Wiedererwachen sich vielmehr erst an lichen
das Wiederabsterben der Kunst im 17. und‘ 18. Jahrhun- l
dert anknüpfte? Wıders
Die erste Frage richtet sich auf die Gegenüberstellung des an- relative
tiken und mittelalterlichen Geistes, die zweite auf die des letzteren artiges
und des modernen. lt, fl
1. Hinsichtlich der ersten Frage würde es sich, wenn wir die- Sturm
selbe hier erschöpfend behandeln dürften — was nur, wie bemerkt, Zeit
durch eine philosophische Kulturgeschichte geschehen könnte — stets
strenggenommen zunächst um die B estimmung des antiken Weltee
Geistes überhaupt, sowie nach den verschiedenen Momen- gewüh)
ten seines Wesens handeln. Für unsern besondern Zweck möchte nicht
indefs folgende vorläufige Betrachtung genügen. Wir können von andere
der Thatsache ausgehen, dafs der antike Geist — und hierunter ver- verlier
stehen wir vornehmlich den hellenischen, gegen dessen positive und fung 4
konkrete (und darum specifisch künstlerische) Einheit des natürlichen Kampf
und geistigen Elements das Römerthum als die negative und ab- m el
strakte Einheit sich verhält — nach der einen Seite hin zu dem dieses
orientalischen, nach der andern zu dem christlichgermanischen in
einem Gegensatz steht, d. h., wenn man dieses Verhältni(fs geschicht- drei
lich betrachtet, eine Zwischenstufe zwischen beiden bildet. Man Ws u
kann diese drei Stufen in der Entwicklung des Geistes, die wir stellt
kurz sls „Orientalismus“, „Hellenismus“, Germanismus“ bezeichnen NR ei
wollen, für die Vorstellung am bequemsten als drei Phasen eines hart
Kampfes zwischen Stoff und Kraft, Materie und Form, oder ganz 7%
allgemein zwischen Natur und Geist überhaupt darstellen. Die diese
ganze übrige Welt, selbst die dem Menschen am nächsten stehende Stan]
des Thiers, weils von einem solchen Kampfe nichts, der — nach a
der sinnvollen Erzählung der Bibel — erst mit der Vertreibung aus N 6
dem „Paradiese“, d. h. mit dem Heraustreten aus dem reinen (geist- Cm v
losen) Naturzustande beginnt. Nicht nur die Weltgeschichte, son- “
dern auch das Leben des Individuums ist die Geschichte dieses 1m
Kampfes des Geistes mit der Natur im Menschen, und das unend-
liche Ziel dieses Kampfes kann nur eines sein: die Freih eit, d.h.
die Befreiung des Geistes. Der Naturstoff repräsentirt in diesem
Kampf der menschlichen Elemente _das Princip der Schwere; er ver