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p Zü »Schein gänzlich unempfänglich sind... Die Dummheit“ (warum
1 zu gerade Dummheit? Sinnlichkeit wäre genügend) „kann sich nicht
_. „über die Wirklichkeit erheben und der Verstand nicht unter der
m „ Wahrheit stehen bleiben“. Er nennt daher mit Recht „das In-
s Künst „teresse am Schein eine wahre Erweiterung der Menschheit“ (mensch*
LS Mate. lichen Sinns) „und einen entschiedenen Schritt zur Kultur“...
deren „Erst wenn das Bedürfnifs gestillt ist, entwickelt die Einbildungs-
hoflichen „kraft ihr ungebundenes Vermögen“... „Die Realität der Dinge
Schein ist ihr (der Dinge) Werk; der Schein der Dinge ist des Menschen
ale nun ‚Werk, und ein Gemüth, das sich am Scheine weidet, ergötzt sich
int, zu schon nicht mehr an Dem, was es empfängt, sondern was es thut“.
2Ren so Es ist seit Aristoteles!) das erste Mal in der Geschichte der Aesthe-
— alto ik, dafs der wichtige, ja für das Wesen der Kunst fundamentale
it mitein- Begriff des Scheins in dieser echt spekulativen Weise seinem wah-
Sn dlöfen) ren Wesen nach bestimmt wird; auch ist sich Schiller der Neuheit
des Gedankens so sehr bewufst, dafs er es für nöthig hält, einem
En möglichen Mifsverständnifs dieser Lobrede auf den Schein vorzubeu-
gen, indem er den dsthetischen Schein von dem logischen, den er
als „Betrug“ kennzeichnet, unterscheidet, Dann aber kehrt er zu
dem ersteren mit der entschiedenen Bemerkung zurück, dafs „ihn
„verachten alle schöne Kunst verachten“ heiße, da ihr We-
A en gerade der Schein sei.
Wann aber ist der Schein dsthetisch? „Nur soweit“ — antwor-
et Schiller?) — „als er aufrichtig ist (sich von allem Anspruch
an auf Realität ausdrücklich lossagt) und als er selbstständig ist
(allen Beistand der Realität entbehrt). Sobald er falsch ist und
Realität heuchelt, und sobald er unrein und der Realität zu seiner
„Wirkung bedürftig ist, ist er nichts als ein niedriges Werkzeug
„zu materiellen Zwecken“ (nämlich zum Zweck der Täuschung oder
b könnten; natürlichen Illusion)... „Es erfordert einen ungleich höheren Grad
der schönen Kultur, in dem Lebendigen selbst nur den reinen
a Schein zu empfinden“ (d. h. das Naturlebendige nur mit künstle-
in allmälig rischem Auge zu betrachten), „als das Leben an dem Schein z
ee „entbehren“. — Wie tief, ja in welch’ erhabner Weise Schiller die
‚At spmbo- Bedeutung des Scheins fafst, geht aus der Bemerkung hervor, dafs,
ng En wo man „bei einem einzelnen Menschen oder einem ganzen Volk
leisten =>
tal ‘) S. oben No. 70—72, 75—76 (S. 132 ff und 140 ff.). Aristoteles fafst den
auf der Begriff jedoch hauptsächlich im Gegensatz zu dem platonischen schlechten Schein, un-
Af diese erscheidet daher zwar beide Momente desselben, legt jedoch den Hauptaccent auf das
bh VO“ positive Moment, nämlich darauf, dafs das Kunstwerk die Idee zur Erscheinung bringe|
und dadurch ein gereinigtes Bild der Wirklichkeit darstelle. — ?) A. a. O. 8. 140.