13
5 Wenn man die korrespondirenden Glieder der verschiedene
Reihen dieses Schemas horizontal und vertikal mit einander ver-
gleicht, so erkennt man, das die einzelnen Stufen jeder der drei Ur-
theilsformen denselben allgemeinen Charakter zeigen: z. B. der Laie,
er Chronist und der ästhetische Phantast sind kritiklos, naiv,
ihr Urtheil ist unmittelbar, intuitiv, ohne Reflexion: es folgt daraus,
afs selbst auf dem Standpunkt der Reflexion, welche die Unmittel
barkeit auszuschliefsen scheint, doch wieder das Gesetz vollständi
sich wirksam zeigt. Der „Chronist“ ist verständig, er hat weder
mit der Empfindung noch mit der Speculation etwas zu thun, aber
seine Verständigkeit hat gleichwohl den Charakter der Unmittel
barkeit. Der „ästhetische Phantast“ ist der Anlage nach spekulativ,
er geht auf Ideen aus, aber er begreift sie ebenfalls nur in der Form
der Unmittelbarkeit, gleichsam dichterisch. Da es sich in der
/issenschaft nun aber um das Wissen, nicht um das Schaffen Kan-
delt, so bleibt er nach dieser Seite hin doch wieder in der Empfindun
tecken. Man kann daher sagen: der „Chronist“ sei der Laie des
Verstandesurtheils, der „ästhetische Phantast“ der Laie des Vernunft-
urtheils. Ganz auf dieselbe Weise verhält es sich mit der zweiten
tufe jeder Reihe: „Kenner“ — „Forscher“ — u WASSERS CHEN
Aesthetiker“ bilden den allgemeinen Gegensatz gegen die ent-
prechenden Formen der ersten Stufen. Die besonderen, der Reflexio
angehörigen Gegensätze sind der „Künstler“ *), „der Philologe“ und
„der reflektirende Verstandesphilosoph“. Erst in der dritten Stufe trit
je Tendenz zur Vernünftigkeit rein auf; d.h. das Empfindungsurthei
‚wird — wenn auch auf praktischer Basis — theoretisirend: so bildet
der Auctionskatalog den Embryo der Kunstgeschichte, die Se
rende Kunstgeschichte den Keim zur ästhetischen Wissenschaft. Ferne
bemerke man, dafs der fortschreitende Gegensatz im Empfindungs-
rtheil, zunächst des Laien gegen den Kenner, im Kenner wieder de
Künstlers gegen den Kunstfreund, im Kunstfreund ferner des Sammlers
gegen den Kunsthändler, im letzteren endlich des Kunstverleger
gegen den Kunstauctionator, zuletzt zur Negirung des praktischen In-
eresses, ja des Interesses überhaupt führt, so dafs der Auctionskatalog
der doch nur des praktischen. Interesses wegen enstand, nach de
Auction gegenstandslos wird, der darin enthaltene theoretische In-
halt aber nur den allgemeinen Keim zur positiven Theorie enthält.
Durch diese Negation wird aber die ganze Reihe der Empfindungs-
standpunkte überhaupt abgeschlossen und der Fortgang zu einer
a AE versteht sich, dafs überall hier vom Künstler nur als urtheilendem die
Rede ist.