Full text: Von Plato bis zum 19. Jahrhundert (1. Theil, 1. Abtheilung)

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5 Wenn man die korrespondirenden Glieder der verschiedene 
Reihen dieses Schemas horizontal und vertikal mit einander ver- 
gleicht, so erkennt man, das die einzelnen Stufen jeder der drei Ur- 
theilsformen denselben allgemeinen Charakter zeigen: z. B. der Laie, 
er Chronist und der ästhetische Phantast sind kritiklos, naiv, 
ihr Urtheil ist unmittelbar, intuitiv, ohne Reflexion: es folgt daraus, 
afs selbst auf dem Standpunkt der Reflexion, welche die Unmittel 
barkeit auszuschliefsen scheint, doch wieder das Gesetz vollständi 
sich wirksam zeigt. Der „Chronist“ ist verständig, er hat weder 
mit der Empfindung noch mit der Speculation etwas zu thun, aber 
seine Verständigkeit hat gleichwohl den Charakter der Unmittel 
barkeit. Der „ästhetische Phantast“ ist der Anlage nach spekulativ, 
er geht auf Ideen aus, aber er begreift sie ebenfalls nur in der Form 
der Unmittelbarkeit, gleichsam dichterisch. Da es sich in der 
/issenschaft nun aber um das Wissen, nicht um das Schaffen Kan- 
delt, so bleibt er nach dieser Seite hin doch wieder in der Empfindun 
tecken. Man kann daher sagen: der „Chronist“ sei der Laie des 
Verstandesurtheils, der „ästhetische Phantast“ der Laie des Vernunft- 
urtheils. Ganz auf dieselbe Weise verhält es sich mit der zweiten 
tufe jeder Reihe: „Kenner“ — „Forscher“ — u WASSERS CHEN 
Aesthetiker“ bilden den allgemeinen Gegensatz gegen die ent- 
prechenden Formen der ersten Stufen. Die besonderen, der Reflexio 
angehörigen Gegensätze sind der „Künstler“ *), „der Philologe“ und 
„der reflektirende Verstandesphilosoph“. Erst in der dritten Stufe trit 
je Tendenz zur Vernünftigkeit rein auf; d.h. das Empfindungsurthei 
‚wird — wenn auch auf praktischer Basis — theoretisirend: so bildet 
der Auctionskatalog den Embryo der Kunstgeschichte, die Se 
rende Kunstgeschichte den Keim zur ästhetischen Wissenschaft. Ferne 
bemerke man, dafs der fortschreitende Gegensatz im Empfindungs- 
rtheil, zunächst des Laien gegen den Kenner, im Kenner wieder de 
Künstlers gegen den Kunstfreund, im Kunstfreund ferner des Sammlers 
gegen den Kunsthändler, im letzteren endlich des Kunstverleger 
gegen den Kunstauctionator, zuletzt zur Negirung des praktischen In- 
eresses, ja des Interesses überhaupt führt, so dafs der Auctionskatalog 
der doch nur des praktischen. Interesses wegen enstand, nach de 
Auction gegenstandslos wird, der darin enthaltene theoretische In- 
halt aber nur den allgemeinen Keim zur positiven Theorie enthält. 
Durch diese Negation wird aber die ganze Reihe der Empfindungs- 
standpunkte überhaupt abgeschlossen und der Fortgang zu einer 
a AE versteht sich, dafs überall hier vom Künstler nur als urtheilendem die 
Rede ist.
	        
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