Full text: Von Fichte bis auf die Gegenwart (1. Theil, 2. Abtheilung)

Kritischer Anhang 
Zu 
Theil I: Geschichte der Aesthetik als Grundlegung. 
1. Zu Nro. 1 (Seite 4): Eine Definition, welche den Inhalt... 
wäre also ein Anfang nicht möglich. 
Vischer beginnt seine Aesthetik mit der Definition, dafs die „Aest- 
„hetik die Wissenschaft des Schönen“ sei, indem er allerdings bemerkt, 
dafs, da eine Definition lediglich Worterklärung sei, sie eigentlich nur 
tautologische Bedeutung habe. Um weiter zu kommen, ist er folglich — 
da er eine Geschichte der Aesthetik leugnet — gezwungen, fremde 
Begriffsmomente, und zwar nur als Voraussetzungen, einzuführen, Fer- 
ner lehnt er die Hegel’sche Definition als „Philosophie der Kunst“ ab, 
„weil dieselbe voraussetze, was sich erst ergeben solle, nämlich, dafs das 
„Schöne wahrhaft nur in der Kunst wirklich sei.“ Unsere Definition, 
dafs die Aesthetik die Philosophie des Schönen und der Kunst sei, 
umfafst die beiden Seiten, die hier getrennt erscheinen. Denn die Vischer- 
sche Definition beruht ja doch auch auf der Voraussetzung, dafs das 
Schöne sei, ohne zu sagen was es sei. „Dies“ — setzt V. hinzu — 
„könne nur in der Durchführung der Wissenschaft gelehrt werden.“ 
Eine gleiche Berechtigung kann aber auch die andere Definition bean- 
spruchen; in Wahrheit aber enthalten beide Definitionen eine Voraus- 
nahme von schon unterschiedenen Begriffen und involviren dadurch ein 
Vorgreifen, das die Grundlegung hypothetisch macht. Näher wird dar- 
unter in der Kritik des Vischer’schen Werks (s. No. 533 ff.) sowie in 
der Schlufsbetrachtung (No. 563 ff.) die Rede sein. Hier wollen wir nur 
an eine Stelle in Hegel’s Logik (I. S. 32) erinnern, wo solch’ Anfang 
einer Wissenschaft durch eine Definition getadelt wird. Es heifst dort: 
„Bine Definition der Wissenschaft hat ihren Beweis allein in der Noth- 
„wendigkeit ihres Hervorgangs. Eine Definition, mit der irgend eine 
„Wissenschaft den absoluten Anfang macht, kann nichts anderes ent- 
„halten als den bestimmten regelrechten Ausdruck von Demjenigen, was 
„man sich zugegebener- und bekanntermaafsen unter dem Gegen- 
„stande und dem Zwecke der Wissenschaft vorstellt. .. Bei diesem 
„Verfahren, die Wissenschaft mit ihrer Definition anzufangen, ist von dem 
„Bedürfnifs nicht die Rede, dafs die Nothwendigkeit ihres Gegen- 
„standes und damit ihrer selbst aufgezeigt werde.“ — Hieraus geht 
also hervor, dafs, da nur in der Geschichte der Aesthetik von bekannten 
Vorstellungen des Gegenstandes derselben die Rede sein kann, auch nur 
hier eine vorläufige Definition berechtigt erscheint. Eine solche berech- 
tigte Definition aber ist die, dafs die Aesthetik die Wissenschaft des
	        
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