1160
wurde, und der (wohl also objektiven) „Macht des schönen Gegen-
„Standes“ bezeichnet. Allein diese Macht ist doch nicht, wie man nach
der vorhin gegebenen Erklärung folgern müfste, „das Schöne an sich“
im Gegensatz zu seiner Beziehung auf ein Subjekt, sondern bezeichnet
wieder nur den Kindruck auf den Beschauer, d. h. nicht die objektive,
sondern dieselbe subjektive Seite, nämlich seine Beziehung auf den
Geniefsenden. Oder aber, wenn wir das Schöne an sich als das den
Eindruck bewirkende gelten lassen, so ist dieser Eindruck im. Subjek
oder das Schöne in der Vorstellung nicht mehr das Schöne, sondern
eben schon die Erkenntnifs davon und die Lust daran, d. h. die Liebe,
also das vorgeblich beide Seiten vereinigende Band. Denn hoffentlich
fafst Z. die platonische Liebe nicht im Sinne eines auf den materiellen
Besitz gerichteten Begehrens. Wie wir also auch die Sache betrachte
ögen: die vorgebliche Trennung der beiden Seiten und ihre Einheit in
der Liebe fällt durchaus in Nichts zusammen. Zwar führt Z., indem er =
jene vorgebliche Doppelseitigkeit als ein Wechselverhältnifs fafst,. dessen Ze
„Vollständige zusammenhangende Darstellung aber in den genannten wie Ze
„in den übrigen Gesprächen Platos vergebens gesucht werde“ —
sehr begreiflich, da ihm diese Vorstellung von Z. nur untergelegt wird
— dies noch weiter aus, ohne aber einen neuen zwingenderen‘ Grund n
beizubringen. Seine ganze folgende, theils aus seitenlangen, den betref- Sn
fenden Inhalt der Dialoge wiedergebenden Uebersetzungen, theils aus -
gelegentlichen, stets auf einen Erklärungsversuch der Unklarheiten und
Widersprüche gerichteten Reflexionen bestehende Darstellung der plato-
nischen Ideen, ist, wenigstens soweit sie das Schöne behandelt, wenig
erquicklich und für das Verständnifs Platos deshalb nicht förderlich, weil 5
etwas nicht verständlich gemacht werden kann, was an sich unklar und
unbestimmt ist, wie das unverkennbar Phantastische und Abstrakte in 1
der platonischen Grundanschauung. Wenn wir in dem kaleidoskopischen .
Wechselspiel des platonischen Vorstellens eine Idee als festen Punkt be-
rachten dürfen, so ist es die Stelle im Phädros, worin er seinen Ideal- ;
himmel oder wie er sagt, „den überhimmlischen (vrzeg0vocvı0or) Raum
beschreibt, „den kein Dichter auf Erden je besang noch jemals würdig
„besingen wird“, weil „das farblose, gestaltlose, untastbare, wahrhaft
„seiende Sein!) nur zu schauen sei, wenn Vernunft die Seele leitet.“ Z
s geht nämlich aus dieser rein negativen Bestimmung des wahrhaften 5
Seins, dem jeder positive Inhalt mangelt, die völlige Leerheit des abstrak- ;
ten. Ideals unwidersprechlich hervor. Dieses aus lauter Negationen des
Wirklichen und Konkreten zusammengesetzte Sein ist so wahrhaft ein
Nichts oder vielmehr das (ebenso abstrakte) Nichts; denn die Idee schafft
sich nur dadurch einen Inhalt, dafs sie in Wirksamkeit tritt, d. h. zur
erwirklichung: und Wirklichkeit übergeht. Diese‘ ihre Verwirklichung
— wie unvollkommen sie als mit der Zufälligkeit behaftete Wirklichkeit
auch sein mag — enthält, als ihre Genesis, zugleich doch auch wieder 7
ihre konkrete Wahrheit. Zimmermann hätte füglich seine Leser mit die-
sen den Sinn in Wahn hineinziehenden Phantastereien, die er ohne
ein Wort des Bedenkens seitenlang wiedergiebt, verschonen können, da DZ
ür_die Sache _selbst, d. h. für den Begriff des Schönen, nicht das Ge- &
men. AM
1) Zimmermann S, 23 übersetzt sogar „Wirklich seiende Sein“, was den Wider
spruch ohne Schuld Platos noch krasser macht, weil eine farblose, gestaltlose und stoff-
ose Wirklichkeit denn doch ein allzu kurioses Ding wäre. Die angezogene_ Stelle
steht ım _Phädros cap, 23