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benfalls für sich, indem er sich der verschiedenen Gebiete der An- 7
schauung bemächtigte. Diese beiden Strömungen charakterisiren %
je Kunstgeschichte von der zweiten Hälfte des 16. bis zur Mitte rn
es 18. Jahrhunderts, bis sie sich endlich vollständig erschöpft hatten ©
und die Frage über die Möglichkeit einer weiteren Kunstentwicklung ®
aufgestellt wurde. — Betrachten wir beide Strömungen kurz für sich fm
in ihren wesentlichen Fortgangsstadien._ N
394. Zunächst was die technische Fortbildung betrifft,
so macht diese die eigentliche Bedeutung der Kunstentwicklung des i
16. und 17. Jahrhunderts aus. Die Technik, gezeitigt durch das a
Feuer des geistigen Inhalts, der die Form zum höchsten, reinsten| ®
und vielseitigsten Organ des Ausdrucks herangebildet hatte, war in w
der höchsten Blüthezeit der Malerei auf eine ebenso hohe Stufe der )
Vollendung gebracht wie der Inhalt selbst. Aber Raphael und seine
grofsen Zeitgenossen gelten uns nicht deshalb als grofse Künstler, a
weil sie grofse Techniker waren: sondern sie waren grofse Techniker X
geworden, weil sie grofse Künstler waren; dies aber waren sie Br
eworden durch die Idee und ihre Begeisterung dafür. Aber schon! En
in ihren nächsten Nachfolgern, die diese gewordene Technik als fer üb
tiges Vorbild übernahmen, zeigt sich das die Idee bei Seite lassende EI
Streben, die Kunstmittel nicht als solche, sondern als Zweck z DO
kultiviren, für welchen der Inhalt nur noch beiläufig vorhanden war. Ne
Dies war der erste Schritt zur Verderbnifs, weil an die Stelle
es künstlerischen Schaffens die technische Virtuosität gesetzt wurde. zu
s kann hier auf die grofsen Techniker des 17. Jahrhunderts, au N
Rubens, van Dyck, Rembrandt u. s. w. nicht näher eingegan- Kö
gen werden: das aber dürfte, bei aller Bewunderung vor ihren emi A
nenten Leistungen, doch wohl von Niemand bestritten werden, dafs) A
gegen Raphael, Dürer, Michel Angelo, Holbein —- von den m
früheren zu schweigen — gehalten, der Schwerpunkt ihrer Gröfse is
nicht in den ideellen Inhalt ihrer Schöpfungen, sondern in ihre fs
Kraft des Darstellens, kurz in die gewaltige Meisterschaft ihrer Tech- LO
nik fällt. — Soviel über die formale Seite jener Frage. = A
# Was_nun den Inhalt betrifft, so trat bald nach Raphael, be- Ch
sonders aber in den Akademikern, eine Indifferenz überhaupt dage- fr
kn zu Tage; aufserdem aber wurde für den bis dahin vorwiegend: Man
religiösen, mythologisch-historischen, allegorischen Inhalt ein andrer, Km
substituirt, welcher der realen Welt entnommen wurde: so entstand Chi
je Landschaft und das Genre; Gebiete, die gegenüber dem A
dealismus der religiösen und historisch -monumentalen Malerei den A
ealismus, d.h. die wirkliche Natur und den wirklichen Menschen